Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
duftet und er glänzt von übergossener Butter und seine Oberfläche ist knusprig und von herrlichem Braun.
Soll ich? fragt Klara und meint das Tranchieren.
Doch May, der aufgesprungen ist, ergreift das Tranchierbesteck. Nein, nein. Das ist Männersache! Reine Männersache! Und mit einer maßlosen Gier, die aus seinen Augen springt, macht er sich an das Zerteilen des Hasenkörpers. Klara hält ihm die Teller hin. May sagt: Wissen Sie, mein lieber Freund, vor einem solchen Braten versagt mein ganzer Symbolismus, meine Philosophie, sogar mein Glaube an unsere höhere Bestimmung, da bin ich nicht mehr in der Lage, etwas anderes als „ach diese herrlichen Schenkel“, „dieser wunderbar zarte Rücken“ oder „wie diese Läufchen glänzen“ zu denken. Und ich schmecke bereits das Fleisch auf der Zunge, drücke es in Gedanken an den Gaumen, zerkleinere es mit den Zähnen und schlucke es ganz langsam und nachschmeckend hinunter.
Geht es Ihnen auch so, mein Lieber?
Nun ja, lieber Meister, nicht gerade mit Hasenbraten, aber solche Gedanken kommen auch mir.
Bei Ihrem russischen Fisch dann wohl, ha, ha?
Ja, vielleicht, antwortet Schneider ausweichend.
Man isst, und es fallen dabei nur wenige Worte. Das Mädchen bedient, aufmerksam und zuvorkommend. Bei jeder Handreichung knickst sie, schaut ängstlich zur Herrin. Die tut, als nehme sie alles wie selbstverständlich, schaut freundlich, indes kalt um sich, wirft ab und zu einen prüfenden Blick auf Schneider, den Maler. Der aber bemerkt nichts, er ist mit seinem Essen, dem Zerlegen des Fleisches und damit beschäftigt, nur alles nach Vorschrift zu tun, keinen Fehler zu machen, die Klöße nicht zu schneiden, den Rotkohl nicht vom Messer zu lecken, nicht die Soße am Messergriff hinablaufen zu lassen, nicht auf das Tischtuch zu kleckern, geräuschlos zu kauen. Er wirkt konzentriert, angespannt, ein wenig ärgerlich.
Trotzdem, das Essen dauert, man nimmt sich Zeit. Die Große Uhr im Wohnzimmer hat schon zum achten Mal geschlagen. Schließlich, man ist fertig, die Teller abgeräumt, fährt sich May mit der Hand über den Bauch, stöhnt leise und zufrieden, er zieht gewohnheitsmäßig die Taschenuhr an ihrer goldenen Kette aus der Weste. Oh, schon Viertel nach acht. Vorzüglich, das Essen, es war wirklich vorzüglich. Ein richtiges Abendmahl! Ha, ha, ha … Besten Dank, mein Herzle. Er beugt sich über den Tisch und streichelt seiner Frau die Wange. Die ergreift die Hand, küsst sie, lächelt … das Mädchen an der Tür blickt zu Boden.
Nun wollen wir aber hinüber ins Wohnzimmer gehen, eine Zigarre rauchen, einen Kognak trinken und den Geist wieder etwas arbeiten lassen. Kommen Sie, lieber Freund …
Der Maler wurde in das Wohnzimmer geführt, das mit kostbaren Gegenständen geschmückt war, namentlich mit Vasen und ähnlichen Töpfereien, die auf Bordbrettern standen. Das Zimmer erhielt tagsüber durch zwei Fenster nach vorn und zwei nach der Seite hinaus ausreichend Licht, jetzt abends, Ende März, war es schon dunkel und nur der Schein vom Esszimmer fiel herein. Klara zündete das elektrische Licht an, den vielarmigen Kronleuchter und zwei Wandleuchten, es flammte auf wie eine Bühnenbeleuchtung, und schon war man geblendet von all dem Reichtum ringsum. Die Wände waren übersät mit Erinnerungsstücken.
Wissen Sie, was das ist? Klara May nahm ein dreispaltiges Messer zur Hand: Ein Tigertöter aus Indien! Die alten Gegenstände haben wir mit den Jahren teils ausgesondert und durch neue ergänzt: Sehen Sie, gerade gegenüber der Tür zum Vestibül steht an einer Seite jenes entzückenden arabischen Tischchens ein Modell: Es ist, wie Sie sehen, eine weibliche Sphinx, im vergangenen Jahr gearbeitet von unserem Freund Professor Selmar Werner, auf eine zweite Sphinx, eine männliche, warten wir noch … Wäre es nicht eine prachtvolle Idee, wenn Sie, lieber Herr Schneider, ein solches Stück für uns hinzuzauberten? Klara brach ab, May, der herangetreten war, sagte: Ja, die Wünsche der Frauen eilen den unseren voraus, indes, lieber Freund, ich hätte dem nichts hinzuzufügen. Was halten Sie davon? May lächelte, und er sah aus wie ein alter Schullehrer, der nach Jahren einen seiner ehemaligen Schüler bei sich empfängt.
Der Maler schwieg und sah sich weiter um. Klara, wie um abzulenken, sagte rasch: Sehen Sie, darüber prangt an der Wand der gewaltige Elchkopf, das ist ein Geschenk des Fürsten Windischgrätz – wenn man so einem Untier in der Wildnis begegnet, oh
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