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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Geschmack ab, doch das sind die Anfänger. Sie loben den Spender oder wollen eigene Kenntnisse vortäuschen. Der Kenner aber schweigt auch jetzt noch. Nun wird die Zigarre wieder in den Mund genommen, das eigentliche Rauchen kann beginnen …
    Während dieses ganzen merkwürdigen Vorganges fiel auch zwischen May und seinem Gast kein Wort, ihr Sitzen, die Vorbereitung der Zigarren, der Rauchbeginn, das Ganze glich einer Andacht. Alles geschah bedachtsam und feierlich. Schneider wollte etwas sagen, er bewegte den Kopf, öffnete die Lippen, blieb indes stumm. May hatte sich in seinem Korbsessel bequem nach hinten gelehnt, die Beine ausgestreckt, er wippte mit den Fußspitzen, blies den ersten Rauch in die Höhe. Klara hatte inzwischen die Kognakgläser gefüllt und sich wieder abseits niedergesetzt.
    Schwer und aromatisch schwebte der Zigarrennebel in der Veranda. Noch immer war kein Wort gefallen, es herrschte eine Art heiliger Stille, doch die ganze Atmosphäre drängte zu einem anregenden Gespräch, zum Austausch von Gedanken, zum Philosophieren, eine Vergeistigung schien zugleich mit dem Tabakrauch entstanden. Das Tabakkolleg fällt einem ein, diese eigenartige Versammlung am Hofe des Preußenkönigs, des Vaters vom Alten Fritz.
    Ist es die Wirkung des Rauschmittels Tabak, ist es das jahrtausendealte Beisammensitzen, wenn etwas verbrannt wird, eine Art heiliger Opferhandlung, bei der wie beim Weihrauch oder anderen Opferkräutern sinnenanregende Düfte zum Himmel schweben, oder ist es nur das ereignisarme brütende Beisammensitzen, die monotone Tätigkeit des Rauchens, oder ist es noch anderes oder etwa alles zusammen, was die Raucher dazu treibt, tiefe und wolkige Gedanken zu entwickeln, die dann gleich ihrem ausgeatmeten blaugrauen Rauch zur Decke aufsteigen und sich im Raum verteilen?
    Auch May und Schneider, selbst Klara, sie fühlten diese Stimmung. Und es webte Behagen, Zufriedenheit, verbunden mit dem Kribbeln angenehmer Anregung in der Glasveranda. Und beinahe konnten die drei diese Vergeistigung, das Aufkeimen von Gedanken fühlen, nicht nur der eigenen, sondern auch der des anderen, sie konnten sie atmen, die Stimmung, die entstehenden Geistesströme, die, unsichtbaren Wolken gleich, aufstiegen, sich zwischen den Tabakschwaden wie kleine Energiezentren aufluden, harmlosen freundlichen und erlösenden Gewittern ähnlich, und die wieder herabsegelten, in die Köpfe drangen, ausreiften, endlich Anregungen und handfeste Ideen erzeugend.
    Es war der Maler, der zuerst das Schweigen brach.
    Ehe sie zum Allgemeinen kämen, sagte er, zu den Gemeinsamkeiten, die er, sein lieber Freund, sein Gastgeber, schon vor dem Bilde „Die Offenbarung“ angedeutet habe, oder etwa zu den künftigen Vorhaben oder vielleicht sogar zu den großen Dingen von Gott, der Welt und der Kunst, wolle er über sich, sein Herkommen und
seine
Kunst reden und er wolle sagen, was er sonst noch keinem gesagt habe, auch seinen Akademiekollegen nicht, er wolle ganz und gar offen sein, etwas anderes sei nicht möglich, denn er, May, müsse von ihm, seinem jüngeren Freund, alles wissen, sonst ginge es nicht. Und was heutigentags in den Zeitungen stünde oder in den Katalogen, was auf Kunstausstellungen über ihn geredet werde, was die Kunstkritik oder die Kollegen sagten, vielleicht mit Ausnahme einer Handvoll Freunde wie Klinger, Müller, Hardenberg und so weiter, was man also öffentlich über ihn zu wissen meine, dies sei alles nur die Hälfte der Wahrheit, und wie alles Öffentliche unvollständig und oberflächlich … Schneider machte eine kleine Pause, rauchte ein paar kurze, hastige Züge, während May ihm aufmunternd zunickte. Natürlich, sprechen Sie, mein Lieber, erleichtern Sie sich, entgegnete May. Der Maler setzte sich ein wenig zurecht, legte die Zigarre, wie er es von May gesehen, mit zwei Fingern in den Ascher, holte tief Luft …
    Ja, also, sprach er, man sagt von mir, ich stamme von deutschen Eltern und habe nur meine ersten Kinderjahre in Russland zugebracht. Nun zerbricht man sich an dieser Tatsache den Kopf, sagt, mutmaßt, es wäre ein psychophysiologisches Rätsel, dass ich eine so bis in die letzte Falte slawische und keine erkennbar deutsche Kunst schaffe. Einige sagen, man könnte sich keine slawischere Kunst denken als die meine. Man könne dieser Kunst gegenüber, und vor allem ihren religiösen Sätzen, nur eine Empfindung haben, wie man sie bei russischen Dichtern selbst da nur habe, wo sie am russischsten sei, wo

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