Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
kämen, die er liebe und bevorzuge, wie ein König, der befehlen könne, was er wolle und welches Essen auf seiner Tafel erscheinen solle.
Was sei dabei? Hasenbraten sei nun einmal sein unbestrittener Favorit, denkt May, vorher werde ein mit Rotwein verfeinertes Wildsüppchen serviert, schön scharf und sahnig, das weiß er von Klara. Die bindet indes die weiße Halbschürze ab, sagt noch, auch Meißner Roten gäbe es, direkt vom Lehmann’schen Weinberg aus Seußlitz, und schließlich zum guten Schluss ein Birnenkompott mit Sahne. Die Birnen aus dem Glas, vom eigenen Garten, die Ernte des letzten Jahres … Karl habe sie mit eigener Hand geerntet und vorher die Bäume gehegt, verschnitten, gestreichelt und mit Zaubersprüchen animiert …
Der Maler, von seinem Hustenanfall erlöst, zieht ein Gesicht. Birnen gut, aber Hasenbraten mag er nicht besonders, er liebt Fischgerichte, ein Lachs zum Beispiel wäre schön gewesen, oder ein Stör oder Krebse, wie in Russland … aber seinem Freund zuliebe wird er nicht mäkeln, er wird alles essen, was er vorgesetzt bekommt, auch den Hasen, der sicher ziemlich gepfeffert sein wird, und im Stillen denkt er wieder an seine Kehle, die noch wund und kratzt, und er macht ein paar Schluckbewegungen zur Probe, dass ihm nur ja nichts wieder, oh Gott, in den falschen Schlund rutscht …
Sie betreten das Esszimmer. Dies ist ein großer Raum von fast 20 Quadratmetern, der auf den ersten Blick gemütlich und bürgerlich, vielleicht etwas dunkel wirkt, denn die Decke besteht aus braun gebeizten schweren Eichenbalken, während die anderen Zimmerdecken im Haus aus trefflichen und ausgesucht geschmackvollen hellen Stuckarbeiten gearbeitet sind. Das Speisezimmer ist nur bis zur halben Höhe getäfelt. Edle Hölzer aus aller Welt hat man dafür verwendet – nur ausgesuchtes Teak oder Balsa. Das Zimmer besitzt zwei Fenster nach der Rückseite, ein sehr breites nach der Straßenseite. In der Ecke, beim Eintritt links neben der Wohnstubentür prunkt ein prächtiger Diwan, eines Sultans würdig und wohl eine echte arabische Arbeit. An den Wänden steigen seidene Stoffbehänge in die Höhe, die oben in einem Bordbrett enden, das mit prächtigen Fayencen, venezianischen Glasarbeiten und wertvollen ägyptischen Vasen geziert ist. Wie eine persische Prinzessin thront dort unter ihnen eine herrliche Perserfayence von offenbar unschätzbarem Wert. May, der die Blicke seines Gastes gesehen hat, macht ein stolzes Gesicht, das Gesicht eines Mannes, der um den Wert all der Gegenstände weiß, aber nur einen winzigen Augenblick lang verharrt in ihm das Hoheitsvolle, dann lächelt er wieder in seiner väterlichen Art, sagt, dem Maler die Hand um die Schulter legend, dies seien ja alles Geschenke von seinen Reisen, wo sie ihn wegen seiner Taten, die er für die verschiedensten Stämme vom Balkan bis zum Vorderen Orient vollbracht habe, mit Kostbarkeiten und Andenken überhäuft hätten. Manches habe er dann noch dazugekauft. Sie haben ja gesehen, mein Lieber, vom Vorraum über das Empfangszimmer bis zum Arbeitszimmer und zur Bibliothek – alles sei vollgestopft mit Erinnerungen und Ehrengeschenken, mit Gold und Zierrat, mit Waffen und Tierpräparaten, mit Teppichen und Prachtgewändern – bald wisse er nicht mehr wohin damit. Ein halbes Museum sei inzwischen aus seinem Haus geworden, und wenn er darin wandele, fühle er sich schon allein in den eigenen vier Wänden wie ein Weltreisender, er brauche sich nur umzuschauen und schon führe ihn die Erinnerung an der Hand der Fantasie in die Welt hinaus – eigentlich eine bequeme Sache für einen Schriftsteller, aber sein lieber Freund und Geistesbruder könne sich bestimmt vorstellen, dass dies einem Schriftsteller wie Karl May nicht genüge, denn bald treibe es ihn wieder fort, bald müsse er sein Märchenschloss verlassen und zu neuen Abenteuern aufbrechen, sein liebes Dschinnistan erwarte ihn und all die lieben Freunde und Geister …
Ja, ja, mein Bester, dies sind eben die Freuden und Leiden eines Vielgereisten, eines Schriftstellers meiner Profession. Schneider nickt ernst zu all dem, hinter seinen Brillengläsern funkelt es, er fühlt sich gegen diesen Mann ein wenig armselig und klein, die traurige Jugend taucht in ihm auf, die schwere Zeit seines Aufstieges, das Glück hat nie auf seiner Seite gestanden … wer weiß, vielleicht hat er jetzt den rechten Zipfel erwischt.
Man setzt sich zu Tisch. Das Mädchen erscheint, sie hat eine neue blendend
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