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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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heftig, brummte Zustimmung, wollte jedoch seinen Gast, dem man ansah, dass er noch nicht fertig war mit seiner Rede, nicht unterbrechen.
    Es gibt noch einen Aspekt, den ich erwähnen muss, rief der Maler erregt und es schien, als wolle er aufspringen und in der Veranda umherlaufen, einen gewaltigen Aspekt, liebster Freund. Es ist jener Aspekt, der uns Künstler, fast hemmt es mir die Zunge, in große Nähe zu Gott rückt, es betrifft die Ewigkeit und den Fortbestand unserer Werke. Denn es scheint mir das Geheimnis jeder Kunst, ob Malerei oder Musik, ob Dichtkunst oder die Bildhauerei, das letzte Geheimnis aller Kunst zu sein, dass wir dem Tod ein Stück entreißen, dass wir am Ende etwas schaffen, das bleibt, das für die Ewigkeit geronnen ist, das ein Stück Unsterblichkeit bedeutet. Dieser Aspekt lässt mich, liebster Freund, vor mir selber erschauern, aber er ist nicht wegzuleugnen, denn wenn wir längst zu Staub zerfallen, wird es unsere Werke noch geben, so wie die Werke der Antike oder der Renaissance auf uns überkommen sind und wir Heutigen vor ihnen staunend stehen, wir uns an dem Vergangenen laben, uns sogar an ihnen messen, sie bewundern, manche sie nachzuahmen suchen, ja wenn unsere Stimmen längst nicht mehr zu hören sind, unsere Gesichter keinem im Gedächtnis sind, alle unsere Nachfahren ebenso verblasst und tot sind, dann wird der Geist unserer Werke noch immer im All kreisen und von uns künden, bis in alle Ewigkeit … und es ist diese Ehrfurcht, dieser Schauer, der mir den Rücken hinabrieselt, der mich denken lässt, wie wir mit unserem Talent und unserer Fähigkeit, die uns kein anderer als Gott verliehen, umgehen, dass wir eine gewaltige Verantwortung vor den Menschen und vor Gott haben, und dass wir dieser Verantwortung immer gerecht werden müssen, auch wenn wir, weil wir trotz allem Menschen, jeden Tag mit Schwachheit und Sünde, mit Versagen und Verlust zu kämpfen haben.
    Ja, wir sind schwach und voller Sünde und wir sind unvollkommen und Lernende bis zum letzten Tag. Dessen eingedenk können Sie, liebster Freund, können Sie sich vorstellen, wie sehr ich mich oft quäle, wie ich leide, welche Schmerzen ich in meiner Seele habe, ja, wie ich einem Hunde gleich leide, vor allem an mir selber leide …
    Der Maler stöhnte auf, sog an seiner Zigarre, die fast erloschen schien, sein Gesicht zeigte einen gequälten Ausdruck. Leise, fast tonlos sagte er, es dränge ihn, an dieser Stelle ein Geständnis loszuwerden, über seine größte Lebensqual zu reden, so wie er darüber zu noch keinem Menschen, außer seiner geliebten Schwester Lilly, gesprochen habe …
    Klara, welche an solchen Abenden nach einer Weile stets die Sitzhaltung ihres Mannes anzunehmen pflegte und die bei Schneiders Rede wie in der Kirche in eine Art heiliges Entzücken gefallen war, hatte die Hände im Schoß gefaltet gehalten – jetzt aber schrak sie auf, machte plötzlich große Augen. Oh, was war denn das? Ist er etwa unglücklich verliebt, der arme kleine Maler? Was kommt jetzt – das Geständnis einer verbotenen Liebe? Wer ist die Unbekannte? Kennen wir sie? Und sie vergaß sogar den Kognak nachzugießen.
    May zuckte ein wenig zusammen, er schien hinter den Worten seines Freundes etwas Zerstörerisches, Unerwünschtes, Unerquickliches, indes lange Vermutetes, zu ahnen, er richtete sich in seinem Korbstuhl hoch, gab seine Feierlichkeit auf, legte, als ob er zu einer größeren Gegenrede ansetzen wolle, die fast aufgerauchte Zigarre in den Ascher, sagte aufseufzend: Ach, lieber junger Freund, was Sie uns da gesagt haben, spannt ja den Bogen zu den größten Zusammenhängen, doch für Geständnisse ist es noch zu früh, der Abend ist noch lang, wir haben alle Zeit. Zuerst wollen wir zur Stärkung unserer Geisteskräfte ein kleines Nachtmahl einnehmen, auch sind mir bei Ihrer Rede ein paar Gedanken gekommen, über die ich gern mit Ihnen, ehe sie Ihre Beichte beginnen, reden würde. Machen wir also eine kleine Fermate, wie es in der Musik heißt … er nickte Klara zu, die stand auf und verschwand, um nach einer Weile mit einer Flasche Wein, drei Gläsern und einem Tablett voller Leckereien zurückzukommen. Hier entdeckte Schneider nun auch seinen geliebten Fisch, kleine Röllchen geräucherten Lachses, sogar Kaviar, eine ziemliche Seltenheit in bürgerlichen deutschen Haushalten, und auf einem kleinen Tellerchen geräucherte Sprotten, die er besonders liebte. Endlich Fisch! murmelte er beglückt, das sei sehr aufmerksam.

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