Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
werde „Auflage“ machen, dass es nur so brumme …
Ja, es sei nur noch eine Kleinigkeit, die vor ihnen liege, dann, ja dann …
Trotzdem, irgendetwas sträubt sich in ihr, diesen Worten und Verkündigungen zu glauben. Der Rudolf habe so etwas, sagt sich die Elsbeth Kühnel vor ihrer Maschine, so etwas in der Stimme, in den Augen, um die Mundwinkel, das lasse einen immer an einen Scharlatan denken, an einen großartigen Betrüger, einen Lügner und Aufschneider. Was hat er ihr in den Wochen, seit sie für ihn arbeitet, nicht alles versprochen. Sollte es nicht im letzten Monat schon besser werden, eine neue Maschine Typ 4 könne sie sich bald kaufen, hat er ihr versprochen, dann brauche sie nicht mehr auf der alten, schon etwas klapprigen Typ 2-AEG-Mignon herumzuhacken, auch umziehen könne sie demnächst, in die prächtigen Verlagsräume nach Strießen, renommierte Gegend, lauter Beamte und Kaufleute wohnten da und hätten ihre Niederlassungen links und rechts von seinem Büro. Oder zumindest raus aus diesem Loch im Hinterhaus werde er sie bekommen, im Vorderhaus werde er sie einquartieren, in die Beletage mit dem Sandsteinbalkon und den schmiedeeisernen Gittern vor den Butzenscheiben an der Vorsaaltür, sicherlich sehr bald werde das sein, das möchte er wetten, denn wenn seine Geschäftsfreunde, die reichen Juden, der Herzfeld und der Goldammer, kämen, könne er die doch unmöglich hierherauf zu ihr führen, ins Hinterhaus, vier Treppen, wo es im Hausflur feucht und dunkel sei und rieche, wo der Ölsockel abblättere, das Hauslicht nicht brenne und einem die Ratten über die Füße liefen …
Verdrossen presst Elsbeth die schmalen, schön geschwungenen Lippen zusammen. So geht das nun schon die ganzen Wochen. Ein rosaroter Luftballon nach dem anderen stieg auf, eine Versprechung folgte der anderen, und dabei lächelte er so nett, der Rudolf, so gewinnend, dass man ihm nur schwer böse sein kann, und es hat ja auch immer alles ganz gut und glaubhaft geklungen, was er sagte. Doch in den letzten 14 Tagen geht alles schief. Nein, sie kann dem Rudolf nichts mehr glauben. Sie wird sehen, wie es nun wird, mit dem großen Unbekannten, der alles herausreißen soll, dieser Berühmte. Und wenn das auch nichts wird, dann geht sie zurück nach Troppau, schweren Herzens. Die werden sie schon wieder nehmen, der Herr Zimmer und auch der Vater …
Dabei hat am Anfang, als sie hier ihr Büro eingerichtet hat, nachdem sie in Troppau bei Seidel & Naumann aus dem Kontor weggegangen ist und nachdem sie sich auch vom Vater frei gemacht hat, wo sie noch gewohnt hat und wo es von Tag zu Tag immer schwieriger wurde, ja, am Anfang, da hat alles gut ausgesehen, vor einem Dreivierteljahr, da schien alles aufzugehen. Sie bekam Aufträge, Aufträge, die ihr der alte Kontorchef, Friedrich Zimmer, noch verschafft hatte, es florierte, sie hat leidlich verdient. Aber seit einem Vierteljahr ist alles wie verhext, keinen Auftrag mehr, kein Kunde, kein Geld, das Ersparte schwindet dahin.
Und da war es, als sie dann den Lebius kennengelernt hat, beinahe wie ein Wunder. Sie hat neuen Mut geschöpft, und es schien wieder aufwärts zu gehen. Doch nun, jetzt, da sie gemerkt hat, auf was sie sich da eingelassen hat, könnte sie verzweifeln. Doch was soll sie tun? Was soll sie machen? Was nur? Ihr bleibt nichts, sie muss sich anklammern an diesen letzten Strohhalm „Sachsenstimme“, sie muss ausharren und hoffen, hoffen, hoffen …
Sechsundzwanzig ist sie alt und gut anzuschauen. Manche sagen, sie wäre nicht dumm, auch ihr alter Chef, der Friedrich Zimmer, hat das gesagt. Warum aber wird ihr das Leben so schwer? Wenn sie an andere, ein paar Freundinnen aus früheren Zeiten denkt. Die haben es geschafft, haben gute Partien gemacht, haben schon Kinder, haben Familie, fahren, wenn es warm wird, zur Sommerfrische an die Ostsee oder in die Berge. Und sie, was hat sie? Sie läuft herum, den lieben langen Tag, um außer für Rudolfs „Sachsenstimme“ doch noch weitere Aufträge zu bekommen. Warum nur ist ihre Lage und die vieler anderer, denen es ähnlich geht, so trostlos? Warum bekommt man weder Aufträge noch irgendeine Arbeit? Und warum geht es anderen so gut? Ach, die Welt ist nicht gerecht aufgeteilt. Da haben die Sozis schon recht. Sie hat einen Freund, Erich Fromhagen, der ist Student, studiert Geschichte und Philosophie, ist Mitglied in der Sozialdemokratischen Jugend, dem wäre es am liebsten, sie gäbe die ganze dumme Schreiberei auf, sie
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