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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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solle ihrer Passion folgen und Musik oder Malerei studieren, sagt er, irgendetwas Künstlerisches, denn dazu wäre sie geboren, dafür hätte sie Talent. Ja, ja, etwas Künstlerisches, da muss sie ja beinahe lachen. Denn sie kann doch nicht alles aufgeben, den letzten Strohhalm sausen lassen. Wovon soll sie leben? Gut, Erichs Eltern haben Geld und Vermögen, der Vater ist Bankdirektor, ja, der Erich kann gut reden, der bekommt jeden Monat einen Scheck von seinem Alten. Das reiche auch für zwei, sagt er, doch sie will ihm nicht auf der Tasche liegen und für jede Kleinigkeit „Danke!“ sagen müssen. Und was, wenn die „Sachsenstimme“ doch noch groß rauskommt, was, wenn das eintritt, wovon der Rudolf immer redet? Nein, sie will, auch, wenn’s ihr sauer wird, noch weiter für den Rudolf und seine Zeitung arbeiten und auch ihre Augen für anderes offen halten. Vielleicht hat sie ja Glück. Einmal, vor drei Wochen, da ist sie auf dem Jahrmarkt in eine Bude gegangen. Und da hat die Wahrsagerin, eine schweißglänzende dicke Zigeunerin, ihr aus der Hand gelesen. Große Linie ausgeprägt, das bedeute Glück und Erfolg. Sie werden es weit bringen,
Frollein,
hat die Schwarzlockige gesagt und neunzig Pfennige verlangt. Weit bringen, jawohl!
    Erfolg, Glück – sie, die Elsbeth Kühnel? Sie hat der Zigeunerin eine Mark gegeben und die hat ihr dafür beim Hinausgehen die Tür gehalten. Ja, ein bisschen glaubt sie daran, sie wird schon noch ihr Glück haben … woran soll man denn sonst noch glauben, wenn nicht an das eigene Glück? An den lieben Gott etwa? Nee, den gibt’s ja sowieso nicht und der hilft auch nicht so einer wie ihr. Da sitzt sie nun und vor ihr liegt die alberne Schreibarbeit über „Wagner“ und sie ist unzufrieden mit sich, mit dem Erich, mit dem Rudolf, mit allem. Ach, wenn nur endlich was geschähe! Egal, was immer kommt, es kann nur besser sein als jetzt …
    Elsbeth spannt ein neues Blatt ein, Seite 170. Noch 30 Seiten hat sie zu schreiben. Mechanisch liest sie das Geschriebene der letzten Seite. Schreiben kann er ja, dieser Scheibling, mag er nun Jude sein oder nicht, schreiben kann er, das muss sie ihm lassen, und so unrecht hat er auch nicht mit dem Wagner. Der muss ja ein ganz übler Bursche gewesen sein, ein Verschwender, ein Frauenheld und ein Judenhasser, obwohl, genial ist er bestimmt gewesen …
    Es läutet. Ohne Eile steht sie auf hinter der Maschine, ordnet im Gehen ihr Haar, das Kleid, zieht die Strümpfe grade. Ein neuer Kunde wird’s wohl kaum sein. Wer wird es schon groß sein? sagt sie sich, die Elsbeth Kühnel. Sicherlich nur der Rudolf, dieser glatte Typ. Sie schaut auf die Küchenuhr, ja, es ist gleich elf Uhr, da wollte er kommen.
    Aber es ist doch ein Kunde, ein Fremder, ein Herr in einem englischen Radmantel, ein Herr mit einem wichtigen, bedeutenden Gesicht und starken Augenbrauen, einer, der kaum dass er im Zimmer steht, alles auszufüllen scheint mit seiner Bedeutung. Er stellt sich nicht vor, fragt, ob er ihr diktieren könne, es handele sich dabei zunächst um einen Versuch, er könne ja nicht wissen, ob sie, die Frau Kühnel, er schaut auf einen Zettel, scheint ihren Namen abzulesen, ob sie auch seine Erwartung erfülle.
    Elsbeth Kühnel steht vor ihm, klein, wie eine Magd, dabei ist sie groß, über Einsfünfundsiebzig, aber gegen diesen Herrn wirkt sie dürftig, schmal, eine Untergebene.
    Gut, mein Herr, erwidert Elsbeth und ihre Stimme klingt schwach und ärmlich, ihr Selbstbewusstsein scheint verschwunden und mit ihm auch jede Ironie, jedes Lächeln, dass ihr so gut steht, gut, wenn Sie es so wünschen – gern.
    Der Herr beschaut die junge Frau, prüfend, abwägend, lauernd, schaut sich im Zimmer um, lässt sich indes weder etwas anmerken, noch sagt er was zu dieser einfachen, von Armut kündenden Behausung. Gut, sagt er nur und sucht mit den Augen einen Sitzplatz, machen wir den Versuch. Wenn er zufrieden sei, fügt er lächelnd an, könne daraus durchaus ein größerer Auftrag werden. Und er reckt sich, stellt sich jetzt auch vor: Augustus Adam Angerstein, Privatus und Privatgelehrter.
    Der neue Kunde diktiert, diktiert ins Stenogramm. Elsbeth schreibt, schreibt konzentriert, die steilen Falten über der Nase graben sich in die Stirn, ab und zu blickt sie zu dem Redenden auf. Er geht auf und ab, wandert im Zimmer umher, bald vor Elsbeths Angesicht, bald in ihrem Rücken. Es ist nicht leicht für sie, dem Diktat zu folgen, mal redet er schnell, dann gemessen

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