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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Durchgang ein Schild. Aber seit Wochen hat es keine weiteren Kunden neugierig gemacht, nur den Dauerauftrag für die Sonntagszeitung „Sachsenstimme“ hat sie noch, schreibt die Artikel für den Chefredakteur Lebius, auch alle weiteren Texte für ihn, erledigt die Geschäftspost, spielt das Sekretariat, übernimmt Telefonate und Botengänge. Sein Blatt sei im Aufbau, tröstet sie der „liebe Rudolf“ – ja, seit zwei Wochen ist sie mit ihm „per Du“, er hat es angeboten, ist mit ihr essen gegangen, hinterher sind sie in einem Weinlokal gewesen, er hat noch mehr gewollt, aber sie ist nicht drauf eingegangen. Geschäfte müssen Geschäfte bleiben, hat sie gesagt – und er hat ihr in Aussicht gestellt, sie mit ihrem Schreibbüro in seinen Zeitungsverlag zu übernehmen, später, wenn sein Blatt prosperiere, er brauche zuverlässige Leute und sie, seine Elsbeth, wäre sozusagen die Keimzelle. Als sie aus waren in dem Weinlokal in Blasewitz, da hat er ihr eine erste Teilzahlung ausbezahlt, fünfundvierzig Mark, leider sei er nicht recht flüssig, erklärte er, aber das werde noch, das werde bald, wenn seine Artikel wie die Bomben einschlügen, er sei schließlich ein erfahrener, ausgefuchster Zeitungsmann, er wisse, wie man ein Blatt aufziehen müsse, welche Themen gefragt seien, was die Leute lesen wollten, welche Autoren man an sich binden müsse, und seine Geldgeber im Hintergrund, alles reiche Juden übrigens, er werde sie ihr bald vorstellen, die ließen ihn nicht im Stich, die stützten ihn, also, sie solle nur Vertrauen haben und weiter zuverlässig schreiben, dann werde sich alles zum Besten entwickeln …
    Groß, blond, sehr schlank sitzt Elsbeth Kühnel vor der Maschine, ihre sehnigen, bläulich geäderten Hände schlagen routiniert auf die Maschine. Derb drückt sie auf den Buchstabenzeiger, lässt die Walze nach links rasseln, hackt auf den Abdruckhebel. Die Maschine klingelt und rattert, druckt. Fast tut ihr leid, wie sie auf die bewährte Mignon einschlägt, was könne die Maschine dafür, sagt sie sich, dass heute ihre Laune so miserabel sei. Nein, ihr Misstrauen ist nicht gewichen, sie traut dem Redakteur der „Sachsenstimme“ nicht, auch wenn sie ihn jetzt ihren „lieben Rudolf“ und er sie „seine Elsbeth“ nennt. Und wenn er ihr diese Schreibarbeit gegeben hat, dieses 200-seitige Manuskript „Richard Wagner“ abzutippen, dann doch nur, weil er sie nicht ganz unbeschäftigt herumsitzen lassen wollte, weil er nichts anderes, keinen zugkräftigen Artikel für seine Zeitung, parat hat. Denn diesen „Wagner-Text“ wird er sowieso nicht drucken lassen. Das Manuskript ist eine einzige beißende Kritik an der Erscheinung Richard Wagner; so was kann man nicht veröffentlichen, auch nicht als Fortsetzungsreihe, und einen anderen Verlag werde er dafür auch nicht finden. Es sind da jede Menge Textpassagen, die einen sogar wütend machen. Sicher, der Schreiber, ein Jeremias Joschua Scheibling, ist ein blitzgescheiter Typ, aber in der heutigen Zeit, wo der Wagner beinahe eine nationale Heilsfigur sei, wo in Bayreuth seine Witwe alljährlich die Verehrungsfestspiele organisiere, zu denen die Nationalen wie die Tempelritter pilgerten, in einer Zeit, wo das Deutschsein wie ein Fieber ausgebrochen sei, in solcher Zeit werde der Text von diesem Scheibling weiter nichts als Erbitterung und Empörung auslösen, vielleicht sogar eine Kampagne. Ob Lebius’ Juden dahinter steckten? Für die Juden sei der Wagner ja eine Art Gottseibeiuns, das Böse, der Teufel schlechthin. Indes, Elsbeth Kühnel weiß, dieser Scheibling hat recht mit dem meisten, was er gegen Wagner vorzubringen hat; sie versteht etwas von Musik, spielt selber ein wenig Klavier, und sie begreift seinen Standpunkt. Aber er bringt seine Thesen so provozierend, so kaltschnäuzig vor, er duldet keine andere Meinung … nein, nein, was der Rudolf Lebius ihr da zum Abtippen gegeben hat, das ist schade um die Zeit, sie schlägt ihre Zeit tot damit und ob sie Geld dafür bekommen wird – wer weiß? Wenn er nur bald seinen großen Geheimnisvollen anbrächte, von dem er in den letzten Tagen andauernd geredet hat. Der soll ja ein in Deutschland ganz bekannter und gerühmter Autor sein. Von dem können wir drucken auf Teufel komm raus, hat Rudolf gesagt, jede Zeile werde ein Verkaufserfolg. Er habe ihm schon geschrieben, er werde empfangen werden und dann, sie, seine Elsbeth, werde sehen, dann werde die „Sachsenstimme“ in aller Munde sein. Man

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