Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
versucht ihn aufzuhalten, es ist doch alles nicht so, wie Herr Lebius …
Doch, fällt ihr Rudolf Lebius ins Wort, es ist alles genau so wie ich sagte: Dies hier ist eines meiner Verlagsbüros, und für Fremdarbeiten berechnen wir einen Aufpreis von 50 Pfennig pro Seite. Da sind die Verwaltungsgebühren etc. noch gar nicht enthalten.
Schon gut, mein Lieber, entgegnet der Privatgelehrte und Psychologe Angerstein, echauffieren Sie sich nicht, ich entferne mich, und Sie, liebes Fräulein Kühnel, Sie hätten mir allerdings gleich reinen Wein einschenken sollen, dann hätte ich … bitte verzeihen Sie mir, mein Fräulein, wenn ich Ihnen zu nahe trete, aber Sie scheinen ja mit diesem Herrn, und er beschaute den Lebius spöttisch und mit offener Geringschätzung, Sie scheinen mit diesem Herrn bestens versorgt. Mit ihm werden Sie es weit bringen. Adieu. Und er eilte zur Tür, verschwand, ohne sich noch einmal umgeblickt oder den beiden die Hand gegeben zu haben.
Eine Weile herrschte Stille und betretenes Schweigen im Schreibbüro der Elsbeth Kühnel, Alaunstraße 24, erstes Hinterhaus.
Na, nun steh nicht so rum, schau nicht so erschrocken, mach uns lieber einen Kaffee, ich habe großen Appetit darauf. Außerdem schleift mein Blutdruck am Boden, ich habe dringend eine Aufputschung nötig. Lebius geht zur Schreibmaschine, schaut auf das Geschriebene, spannt das neue Blatt aus, beschaut die Seitenzahl des danebenliegenden Stapels. Sie habe wohl keine Lust gehabt, fragt er, weit sei sie noch nicht gekommen mit dem Wagner. Schließlich bezahle er sie nicht fürs Faulenzen. Sein Gesicht hat wieder, wie immer, wenn er mit Elsbeth Kühnel zusammen ist, diesen überlegenen Ausdruck angenommen. Mit großer Selbstverständlichkeit geht er auf den alten, abgeschabten Ohrensessel zu, der neben dem kleinen Öfchen steht, wirft sich hinein, kramt in seinen Taschen nach Zigaretten, zündet sich eine an. Die Elsbeth ist in die kleine Küche nebenan gegangen, den Kaffee zu bereiten, durch die halb offene Tür sieht sie ihren Rudolf im Sessel, sieht wie er gedankenverloren raucht und die Zigarettenasche auf die Dielen krümelt. Sie jagt ins Zimmer zurück, holt aus dem zerkratzten dunklen Vertiko einen alten, angeschlagenen Porzellanascher und stellt ihn neben den Rauchenden auf ein kleines Beistelltischchen, sagt und ihre Stimme zittert, noch habe sie keinen Pfennig gesehen für das Geschreibe da, aber er, der Herr Zeitungsverleger, könne ja einfach ihre Kunden verjagen, wo sie vielleicht etwas verdient hätte. Sie zeigt auf die alte Mignon, winkt ab, geht hart auftretend zurück in die Küche. Bald hört man das Wasser auf dem Gasherd brodeln. Er hat nur eine Flamme, das kleine Eisentöpfchen, zerbeult und ohne Deckel, steht darauf, Wasserdampf kringelt sich nach oben zur geschwärzten Decke. Drüben im Ohrensessel der Lebius raucht. Er hat nicht geantwortet auf den Vorwurf seiner Elsbeth Kühnel. Schweigend sitzt er und raucht. Plötzlich springt er auf und kommt an die Küchentür. Der Tag der Entscheidung rücke heran, sagt er und macht ein bedeutendes Gesicht. In der nächsten Woche sei es so weit. Am zweiten Mai, einem Montag. Die Woche beginne mit einem Paukenschlag, mit Fanfarenstößen, er werde als Sieger heimkehren. Während sie die Tassen aus dem Küchenschrank nimmt, fragt sie, zu wem er denn gehen wolle, wer der große Unbekannte denn sei, wo er seine Fanfarenstöße loslassen wolle? Im Stillen staunt sie über ihren Mut und ihre energische Stimme und sie wundert sich, als der Rudolf ihr sogleich bereitwillig Auskunft gibt. Ob sie den Schriftsteller Karl May kenne? fragt er sie wie nebenhin, und als sie nickt und sagt, ja, den kenne ja ein jeder, in jedem Buchladen lägen seine Bücher, aber sie habe von ihm noch nichts gelesen, das sei ja was für Männer und Jungens, sie lese neuerdings lieber Courths-Mahler und Thoma und so was, da antwortet der Rudolf breit und mit einem Feixen, nun, mit dem May werde er jetzt Geschäftspartner werden, der werde in seiner „Sachsenstimme“ als Autor schreiben und der werde ihm sogar einen Kredit zahlen. Am zweiten Mai werde alles besiegelt und besprochen, er sei zu dem Berühmten hinbestellt, May wolle ihn kennenlernen, und dann … Lebius bricht ab, seine Augen blitzen hinter den Brillengläsern. Die Elsbeth wischt sich die Hände an einem Wischtuch, stellt die Tassen auf ein Tablett, sagt mit ehrlicher Bewunderung, da gratuliere sie ihm, mit dem May werde seine Zeitung bestimmt
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