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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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herein, mein Herr. Lebius war der Name, nicht wahr?
    In der Tat, Gnädige Frau, Rudolf Lebius, derselbe in ganzer Lebensgröße. Redakteur und Herausgeber, Besitzer der „Sachsenstimme“, allhier am Platze. Er verneigt sich wieder, lächelt ölig, setzt aber schon, ganz und gar besitzergreifend, einen Fuß in die Tür. Darf ich? Im Vorraum dann schaut er sich um, stößt Töne der Überraschung und des Staunens aus.
    Oh! Ah! Donnerwetter! Nein, diese Pracht! Beeindruckend. Wo Sie das alles nur herhaben, Gnädigste? Muss ja ein Vermögen wert sein? Klara antwortet nicht darauf, erhobenen Kopfes, stolz, stumm führt sie den Besucher, ganz in der Manier eines Herrendieners, zur Salontür, klopft mit dem vorgebogenen Fingerknöchel an das Holz, öffnet, ruft hinein:
    Der Herr Redakteur Lebius!
    Lebius, mit einem Aufschrei, übertrieben freudig, stürmt in den Raum, stürzt auf May zu, will ihn in die Arme nehmen. May, der sich aus seinem Sessel erhoben hat, weicht zurück.
    Meister! Oh, Meister! ruft Lebius, endlich in Ihrem Wigwam. Dankbarste Freude empfinde er, dankbarste Freude. Lebius, nachdem die Umarmung missglückt ist, verneigt sich vor May tief, zu tief, fast bis zum Fußboden. Ölig glänzt der Scheitel. So eine Freude!
    Oh, wen haben wir denn da? Lebius baut sich vor Max Dittrich auf, stemmt die Fäuste in die Hüfte, na, das ist doch … das ist doch? Ihm scheint der Name entfallen. Dittrich erhebt sich, gibt ihm die Hand, sagt: Dittrich! Max Dittrich! Ja, richtig! ruft Lebius prompt, Max Dittrich, Professor Dittrich, der Studienrat. Nein, nein, korrigiert der andere und lächelt, Studienrat sei er nicht, gleichwohl ein Lehrender, denn er belehre die lesende Menschheit mit seinen Schriften, er sei Schriftsteller, Militärschriftsteller. Ah, natürlich! Lebius schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, wie habe er das nur vergessen können – Militärschriftsteller, selbstverständlich.
    Klara kommt mit einem Imbiss und dem Kaffee. Die Herren setzen sich an den runden Tisch. May, ganz und gar höflich, setzt sich erst, nachdem sein Gast Platz genommen hat. Man isst, man trinkt, mühsam kommt ein Gespräch in Gang.
    May fragt, und es ist von seiner Seite pure Höflichkeit, ein wenig Routine ist es auch, denn Karl May fragt seine Gäste zu Anfang meist dasselbe, was er denn, der Herr Redakteur, will er wissen, was er denn von seinen Werken alles gelesen habe und welches Buch ihm besonders gefiele. Lebius beißt von dem Kuchen ab, ein paar Krümel rieseln auf seine Hemdbrust, mit halb vollem Mund antwortet er: Winnetou, immer nur Winnetou, Winnetou sei sein absoluter Liebling, er habe immer nur Winnetou gelesen, etwas anderes könne er gar nicht lesen, besonders der Band V habe es ihm angetan, wo sich der edle Indianerhäuptling all seiner Feinde und schließlich am Ende jedes Schurken entledigt und seinen Freund Old Shatterhand vor der Entmannung rettet. Die Schoschonen, oder waren es die Irokesen? Na egal, irgend so ein Indianerstamm wird es wohl gewesen sein, die wechseln ja bei ihnen, lieber May, wie die vorüberziehenden Wolken. Die jedenfalls hatten den Shatterhand in einen gespaltenen Baumstamm eingezwängt und wollten ihm gerade an seine Männlichkeit, als Winnetou angeprescht kommt und der Qual ein Ende macht. Das haben Sie alles ganz hervorragend beschrieben. Sehr eindrucksvoll. Wirklich, mein Kompliment …
    May und Dittrich wechseln Blicke. Und weiter habe er nichts gelesen? fragt May, nur jenen Band V, wo Shatterhand entmannt werden sollte?
    Man kommt ja nicht dazu! antwortet Lebius leutselig und wischt sich den Mund, er habe so furchtbar viel zu tun, dass er einfach nicht zum Lesen von regulären Büchern komme, aber die erwähnten Winnetou-Bände genügten ja sowieso, um sich ein Bild von dem Autor May zu machen, ein erfahrener Rezensent und Journalist wie er wisse sofort, mit wem er es zu tun habe. Wenn er ein Buch aufschlüge, wisse er nach den ersten Seiten sofort Bescheid.
    Karl May, mühsam beherrscht, fragt nach: Und er sei sicher, er wisse ganz genau, dass es Winnetou Band V gewesen sei, in dem er das gelesen habe, in dem solches drin gestanden sei, was er berichtet habe – die Entmannung Shatterhand durch die Irokesen?
    Ja, ja, selbstverständlich, ganz sicher, antwortet Lebius, so sicher wie er vor ihnen sitze, wisse er das. Er, Rudolf Lebius, sei ein ganzer Kerl, er mache keine halben Sachen …
    Da springt May auf, es hält ihn nicht mehr am Platze, er läuft zum Fenster,

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