Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
ihm, seinem Autor, schreibt der feine Herr dann Beschwichtigendes, heuchelt, dass die Milch sauer wird. Indes, die Wahrheit hat er ihm, Karl May, nicht geschrieben, über seine infamen Absichten teilt er nicht das Geringste mit. Die habe er, May, nun aus Schneiders Brief zwischen den Zeilen lesen müssen, nämlich, dass man in Freiburg neue Tatsachen schaffen wolle – eine neue Ausgabe wolle er herausbringen, der Fehsenfeld, eine neue Ausgabe in populärer Form. Die Leute wollten May, den Jugendschriftsteller, den Abenteuerschreiber, hat der Herr Verleger in Weimar dem Maler ins Ohr geflüstert, und keinen symbolistischen May, keinen Mythologisierer. Sie wollten angeblich Illustrationen, die sich streng an den Text hielten, Bilder, von denen jeder kleine Geist sofort ablesen könne, was der Autor im Buch beschreibe. Kinderbücher, ha! Ja, Kinderbücher will der feine rothaarige Herr aus dem Breisgau aus seinen Werken machen. „Am Jenseits“ – ein Kinderbuch, der „Silberlöwe“ ein Kinderbuch, alle Bücher der letzten fünf Jahre Kinderbücher.
Oh, dieser … es fällt einem nicht gleich ein starkes Wort ein für solche Niedertracht.
Und meinen Allerliebsten, meinen Allerteuersten, wohin will er ihn führen, dieser Scheitan von einem Verleger? Dabei hat er nichts begriffen, der Fehsenfeld. Er weiß nicht, dass sein Tod bevorsteht, wenn er auf diesem seichten Pfade weitergeht, sein unweigerlicher Verlegertod. Nur immer Seichtes will er, leicht Verdauliches, was er mit seinem kleinen Verstande fassen kann, Populäres, wie er es nennt, was ihm ganz schnell die Kassen füllt. Vor zehn Jahren ist er ihm, May, schon einmal damit gekommen, sprach von einer „hochedlen, illustrierten“ Ausgabe, hatte einen Haufen Geld für die Zeichnungen und Entwürfe ausgegeben, nein, der gibt nicht auf, der sabotiert sein Schneider-Projekt, wo er nur kann …
Unten auf der Straße, ein Passant ist stehen geblieben, er winkt zu ihm herauf. May kennt den Mann nicht. Irgend so ein Verehrer, sagt er sich, einer von diesen Unsäglichen, die ihm auf die Nerven gehen. Der Mann ruft etwas, winkt aufs Neue. May, ärgerlich, will dem Menschen am liebsten einen Vogel zeigen, beherrscht sich, tut, als ob er nichts versteht, schaut demonstrativ in eine andere Richtung, beginnt die Balkonblumen zu gießen.
Hallo, Verehrtester! hört er von unten, Sie brauchen sich gar nicht wegzudrehen, lieber May, oder vor Verlegenheit die Blumen zu gießen. Ich will nur wissen: Schreibt man wieder solch verqueres Zeug? Dieses alberne Zeug, das keiner versteht und das alle abschreckt wie in Ihrem letzten Buch, dieser „Pazifistenschwarte“, he? Wie hieß sie noch? Ach, schon vergessen … Mensch, machen Sie sich doch lieber an eine Fortsetzung des Winnetou! Damit man Sie wieder lieben kann. Leben Sie wohl! Adieu! Der Mann winkt und geht weiter. Nach ein paar Schritten bleibt er noch einmal stehen, dreht sich um, winkt aufs Neue, lacht, lacht über seinen, wie er meint, gelungenen Scherz, geht fröhlich weiter.
May hat instinktiv einen Blumentopf ergriffen, ihn schon hochgehoben, weil er ihn dem Kerl hinterherschleudern wollte. Doch aufseufzend, den Kopf schüttelnd setzt er ihn ab. Ach, was soll das, sagt er sich müde. So sind sie eben, die gemeinen Lesertiere. Umso wichtiger, das zeige sich an solchen Vorfällen, sei jetzt seine Mission. Er müsse predigen, predigen und nochmals predigen. Babel und Bibel, Babel und Bibel, zischelt er vor sich hin, alles hänge jetzt am Erfolg dieses Stückes. Mit schlaffen Schultern kehrt Karl May in sein Arbeitszimmer zurück, setzt sich an den Schreibtisch, nimmt den Kopf in die Hände, stöhnt leise auf.
Oh ja, er wird seinem Malerfreund sogleich einen Brief schreiben, wird ihn aufklären, wie es sich verhält mit diesem Herrn Fehsenfeld und seinen illustrierten Ausgaben, mit Babel und Bibel und allem, was ihm am Herzen drückt. Was du heute kannst besorgen, ha, ha! Und ein triumphierender Grimm zuckt in seinen Mundwinkeln …
May, der sich eine Haarsträhne aus der Stirn gestrichen, schraubt entschlossen das Tintenfässchen auf, nimmt den Federhalter, taucht ihn in die blauschwarze Flüssigkeit, lässt bedachtsam den ersten Tropfen in ein Löschblatt sickern, schreibt in schwungvoller Schrift:
Allerliebster und Allüberall mir Allertheuerster! … Sie irren! Von der Popularität, wie sie Mister Fehsenfeld versteht, halte auch ich nicht viel …
Einen Moment überlegt er, doch dann sagt er sich, nein, er
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