Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
Eiskristalle hineingeraten …
Am Fenster dann, oben in seinem Arbeitszimmer stehend, hat er, May, hinüber in den Park gespäht. Klara führte die Gäste herum, blieb vor verschiedenen Koniferen stehen, zeigte mit der Hand, wie hoch sie vor Jahren gewesen, erklärte die neue Plastik von Selmar Werner, doch dann, während Paula mit der Dora weitergegangen waren, hielt Fehsenfeld Klara am Arm fest, sprach dringlich auf sie ein. Klara, das sah May von oben, hinter der Gardine stehend, ganz deutlich, Klara hörte dem Verleger konzentriert zu, wie immer hielt sie dabei ihren Kopf ein wenig gesenkt. Er konnte ihre Augen nicht sehen, aber er wusste, wie sie sich verengten, wie sie hellblauen Glasmurmeln gleich starr wurden, wie die steile Falte über der Nase sich vertiefte. Die Unterhaltung musste ein ernstes Thema zum Inhalt haben und sie dauerte ziemlich lange, sodass die Vorausgegangenen, Paula mit ihrer Tochter Dora, schließlich stehen blieben und warteten. Später dann, als der Gartenspaziergang zu Ende war, die Gäste bei Zeitungen und Konfekt, beim Lesen von ein paar Manuskriptseiten seines Babel-Dramas und einem Glase Meißner Weines wieder im Salon saßen und Klara zu ihm hinaufgekommen war, da hatte er erfahren, was sein gewiefter Verleger Fehsenfeld von ihr gewollt hatte. Es war wieder um sein Lieblingsprojekt der illustrierten Ausgaben gegangen, zuerst hatte er geklagt, wie schwer doch das Verlagsgeschäft in diesen Zeiten ginge und dass besonders mit den weltphilosophischen (so hat er sich ausgedrückt!) Texten wie „Am Jenseits“, „Und Friede auf Erden“ und dem „Silberlöwen“, Band 3 und 4, nichts anzufangen wäre, die Leser wollten das nicht, und nur ganz wenige, sozusagen „eingefleischte“ Mayverehrer, kauften überhaupt diese Bände, die Mehrheit frage nach den alten bekannten Büchern von „Winnetou“ bis zum „Surehand“, weshalb er glaube, dass eine neue, und eben dann illustrierte, Ausgabe dieser Bücher den größten Erfolg brächte. Die Bücher Ihres Gatten, hatte Fehsenfeld zu Klara gesagt, seien nun einmal Jugendbücher, und bei der Jugend träfe man mit reich bebilderten Ausgaben am sichersten ins Schwarze, befriedige die Wünsche von Eltern und Kindern gleichermaßen, und darum müsse es ihm als Verleger gehen, ein Verlag sei ein Wirtschaftsunternehmen und der Verkauf und das Angebot seiner Waren müsse naturgemäß im Mittelpunkt stehen, anders ginge es nicht. Klara hätte ihn gefragt, warum er das ihrem Mann nicht selber sage, das wäre doch viel besser und direkter als über sie als Vermittlerin. Da habe er verlegen gelächelt und gesagt, freilich, da hätte sie schon recht, aber der Umweg über eine Frau sei manchmal erfolgversprechender. Auch bei ihm wendeten sich manche an seine Paula, weil sie dächten, wenn er die Mitteilung über einen Frauenmund bekäme, fänden sie womöglich sogar zu seinem Herzen, würden geneigter aufgenommen. Nun, sprach er weiter zu Klara, bei ihrem Mann Karl sei es ebenso, auch er, Fehsenfeld, wolle auf diesem indirekten Weg vorankommen. Sein Autor sei häufig schroff und unnahbar, habe womöglich auch den Kopf voll mit neuen Ideen, wenn er die Pläne seines Verlegers über seine Frau erführe, ginge es sozusagen wie durch einen weichen, fraulichen Filter, außerdem werde sein Projekt auf diese Weise zu einem familiären Thema, und wäre es nicht schön, wenn Mann und Frau bei solch wichtigen Fragen zu gleichen Teilen einbezogen wären. Er bitte sie also herzlich, sagte er mit einem Lächeln, seine Vorschläge als ein Wesir vor den Scheich oder noch besser wie Scheherazade vor den Kalif zu bringen, er werde warten und hoffe nicht, dass man ihm dieserhalb den Kopf abschlüge oder er die Bastonade bekäme …
May erinnert sich, wie ihn diese Aktion erzürnt hatte, er liebt solche Diplomatie bei anderen keineswegs, zwar ist er selber häufig mutlos und ein wenig feige, viel lieber schreibt er einen Brief oder einen Artikel, denkt sich raffinierte Winkelzüge aus. Geh hinunter, hatte er zu seiner Frau gesagt, sagte es in barschem Ton, sodass Klara erschrocken zu Boden blickte und wie ein kleines Mädchen errötete, geh hinunter und sage deinem famosen Herrn Fehsenfeld Folgendes … „Meinem?“ Herrn Fehsenfeld? hatte Klara irritiert zurückgefragt.
Ach, mein Gott, nun leg nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Sag ihm, dass ich seinen Vorschlag überdenken will, sag ihm, dass es mir am liebsten wäre, wenn Schneider die Illustrationen übernähme
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