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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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lässt das so stehen, er weiß, sein knurriger Malerfreund hört solche Schmeicheleien gern, wie ein Kater, der sich kraulen lässt, obwohl er sonst faucht, kratzt und beißt, nur um vor aller Welt als eine wehrhafte Katze zu gelten, und der Briefschreiber May stellt sich vor, wie sein Sascha Schneider sich im Barte kratzt, als ein Zeichen, dass ihm die Anrede gefallen hat.
    Ach, der liebe Kerl sei doch noch immer wie ein Kind, sein kleiner herziger Schneider, sagt sich May, anfällig für Liebkosungen, für Übertreibungen und große bombastische Gesten, da könne er beruhigt den etwas dickeren Pinsel nehmen …
    May setzt die Feder ab, denkt nach, holt sich die Szenen, die er beschreiben will, ins Gedächtnis. Wir wollen ihm helfen, ihn ergänzen und die Ereignisse dieses Tages beschreiben:
    *  *  *
    Es ist drei Wochen her her, mitten im Frühjahr war es, fast ein Vierteljahr nach seinem 64. ist es gewesen; da ist der Fehsenfeld plötzlich angerauscht gekommen, in seinem neuen Automobil, mit seiner Paula und Tochter Dorothea im Fond, ist vor der Villa aus dem Wagen gesprungen, die Lederkappe mit der Brille noch auf dem Kopfe, hat nach oben zu ihm gewunken. (Ja, er, May, war gerade auf den Balkon hinausgetreten. Ein Zufall.)
    Er gratuliere noch nachträglich zum Geburtstag! Ganz herzlich wie immer! rief Fehsenfeld mit seiner Stentorstimme zu ihm hinauf. Ob seine Karte zur Zeit angekommen wäre?
    Natürlich hatten wir die bekommen. May erinnert sich, wie Klara in sein Arbeitszimmer getreten war, ihm die Karte überreicht und ausgerufen hatte:
    Oh, mein Gott, Karl, dieser Mensch will uns heimsuchen! Sollen wir ihm absagen?
    Um Gottes willen, nein, hat er geantwortet. Du weißt doch, Herzle, ich muss ihm mein „Babel und Bibel“ aufreden, er soll das schnellstens herausbringen und kräftig publizieren, und um Sascha Schneiders Kunstmappe mit den großformatigen Deckelbilder geht es außerdem.
    Erinnerst du dich nicht? Oh ja, sie erinnere sich, sagte Klara.
    Nun waren sie also eingetroffen: Während er sich oben im Arbeitszimmer in aller Eile seines Hauspaletots entledigt hatte, in den grauen Hausanzug geschlüpft war und vor dem Spiegel seine Haare in Ordnung gekämmt und mit ein wenig Pomade glatt gestrichen hatte, war das Mädchen unten zur Pforte geeilt, hatte geöffnet und die Fehsenfeld’sche Sippe ins Haus gelassen. Als er die Treppe herunterkam, standen alle drei brav und erwartungsvoll in seinem Empfangssalon, Klara daneben und das Mädchen sollte eine Kanne Kaffee aufbrühen. Dann Begrüßung. Noch einmal Gratulationen. Händeschütteln zwischen den Männern. Küsschen von Paula und dem Töchterchen. Mein Gott, ist die Dora aber groß geworden. Eine richtige Dame schon. Dorothea, sein Liebling, wird rot. Hier Onkel May! Plötzlich auch Blumen. Ein Geschenk. Was ist das? Na schauen Sie doch mal. Oh, ein Mosaikbild von meinem Winnetou. Wie schön. Sieh doch, Klara! Vielen herzlichen Dank. Und wie war die Fahrt? Lang, vor allem lang, klagen die Frauen. Haben in Weimar Zwischenstopp gemacht. Herrn Schneider aber leider nur kurz sprechen können, er sei in Reisevorbereitungen, der Glückliche, nach Norwegen solle es gehen, sagte Lilly, seine Schwester. Aha. Über Klaras Gesicht ziehen Wolken. Der Kaffee kommt. Bitte Platz zu nehmen. Hier ist noch Gebäck. Man trinkt Kaffee, nascht von den Plätzchen. Die Männer rauchen hinterher. Wo sind Sie abgestiegen? Oh, hier gleich in der Nähe, im Sächsischen Hof. Das Gespräch plätschert dahin. Vorgeplänkel. Das Wichtige sparen sich beide Seiten auf, für den Abend. Es ist eine seltsame Scheu aufgekommen, zwischen dem Autor und seinem Verleger, wie bei einer Partie Poker halten sie sich zurück. Höflich, freundlich, aber irgendwie von einer spürbaren Kühle, wie sie einem entgegenschlägt, wenn man von einer sonnigen Wiese in den schattigen Wald tritt. Die alte Herzlichkeit, die Kameradschaft, die eine Zeit lang zwischen ihnen geherrscht hat, ist verschwunden. Ein Belauern ist an ihre Stelle getreten, wie der Beginn von Feindseligkeit, von Rechthaberei, von Abwarten, wer denn am Ende den Sieg davontrüge.
    Er, May, hat sich bald nach oben zurückgezogen. Er habe noch zu tun, hat er gesagt, er bitte um Verständnis. Klara werde ihnen den Garten und drüben den Park zeigen. In zwei Stunden stehe er wieder zur Verfügung … Fehsenfeld hat nur genickt, aber in seine hellen markanten Augen trat in diesem Moment eine seltsame Starre, geradeso als wären feinste

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