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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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oder wenn er sie zumindest koordinierte, sag ihm, dass ich mir das letzte Wort vorbehalte, sag ihm, dass es ihn eine Stange Geld kosten würde, den Schneider zu bezahlen, sag ihm, auch bei mir müsse es dann eine Erhöhung der Honorarbezüge geben, eine höhere Qualität habe immer ihren Preis, und sage ihm zum Schluss, ich käme herunter zum Abendgespräch, wenn ich so weit wäre und er mir Definitives sagen könne. Unterbreite ihm also meinen Gegenentwurf und sage alles so, dass ein Widerspruch gar nicht aufkommen kann. Wenn er schon den Großherrn in mir sehen will, so soll er auch das Gefühl haben, ich sei streng und gnadenlos wie ein orientalischer Fürst.
    May, in Erinnerung seines Machtgefühls, lächelt grimmig. Oh ja, so müsse man es diesen Verlegern zeigen. Man müsse denen immer wieder klar machen, wer der Koch und wer der Kellner sei, sonst glaubten sie am Ende noch, sie wären wichtiger als ihre Textlieferanten, die Autoren. Und gerade der Fehsenfeld! Wer habe ihn denn aus dem Nichts ans Tageslicht geholt? Durch wen sei er denn zu einem wirklichen Verleger geworden? Wer habe ihn aus seiner beschaulichen schwäbischen Bequemlichkeit zum Tätigsein gebracht? Was war er denn vorher – ein Niemand, ein kraftloser Zwerg mit Wanderkarten und armseligen Regionalia. Durch die Karl-May-Bücher sei er ganz nach oben gekommen, und da er jetzt im Geld schwimme, denke er, das müsse immer so bleiben. Aber man bliebe nur oben durch Veränderung und Anpassung so wie in der Natur die Lebewesen und Arten. Mit aller Gewalt müsse er ihn an die Hand nehmen, jetzt, damit er seinen neuen Weg mit ihm gehe, denn er weiß, nur widerwillig gehorche dieser Kerl noch, denn er glaube nicht an den neuen May, glaube nicht an den Umschwung bei seinem Autor, er zweifele an der Bilderkraft der Schneider’schen Zeichnungen genauso wie an seinen, Mays, neuen mystischen symbolistischen Texten. Ja, er weiß, der Kerl berufe sich auf moralische und ethische Zweifel, indes in Wahrheit seien dies nur die Zweifel eines Krämers, der ewig und immer bei seinen bekannten Äpfeln und Zwiebeln bleiben wolle, der den heimischen Kohl aufstapele und Kartoffeln in Körben zur Schau stelle, dem alles Neue fremd sei und der sich davor fürchte, Feigen und Datteln, Granatäpfel und griechische Melonen ins ständige Angebot zu nehmen. Und so zweifele der natürlich auch an seinem letzten, dem neuesten Großprojekt seines Autors Karl May, der arabischen Fantasie, dem Drama „Babel und Bibel“ … ein Romanautor habe keine Dramen zu schreiben, noch dazu in Versen, igitt …
    May besinnt sich, wie er an jenem Abend, nachdem die verkündete Zeit vergangen, in den Salon hinabgestiegen war zu seinen Gästen. Siebenmal schlug die große Standuhr unten, er hörte sie auf der Treppe, hörte den Klang nachsummen, er verharrte, blieb, die Hand am Geländer, stehen, wartete und trat schließlich mit dem letzten Schlag ein …
    Fehsenfeld, aufspringend, macht eine Verbeugung, versucht es mit einem Scherz. Ah, unser Großherr gibt sich die Ehre! Er begrüßt uns in seinem Reich … aber die Munterkeit verfliegt abrupt, er bricht ab, weil er Mays abweisendes Gesicht sieht.
    Der, May, wendet sich den Damen zu, begrüßt die Gattin Paula mit elegantem Handkuss, gibt der Tochter Dorothea die Hand, tätschelt dem Mädchen die Wange. Er mag die Siebzehnjährige, kennt sie nun schon, seit sie in den Windeln lag, immer hat er ihr, wenn er unterwegs war, einen Kartengruß geschrieben, ihr kleine Geschenke gemacht, früher mal eine Puppe, dann auch ein schön gerahmtes Bildchen, mal einen Sommerhut, etwas zum Naschen, natürlich Bücher. Die Fehsenfeld’schen Mädchen, auch Eva, die Große, jetzt vierundzwanzig, besinnt sich May, hat er immer geliebt, eine Zeitlang sind sie ihm, dem eigene Kinder versagt geblieben, sogar wie die eigenen Töchter vorgekommen. Na, fragt er und kneift dem Mädchen ins Kinn, hat dich der Vater auch mal ans Steuer gelassen? Das Mädchen wird rot, schüttelt den Kopf. May lässt das Kinn los, klopft auf den Puffärmel ihres Sommerkleides. Na, das wird schon noch … dann tritt er an seinen Verleger heran.
    Haben Sie (auch nach über zehn Jahren ist man über das „Sie“ noch nicht hinausgekommen) ein wenig in den Blättern gelesen, die ich Ihnen hier bereitlegte, oder in dem, was ich Ihnen in den letzten Wochen zu meiner „arabischen Fantasie“ zugesandt habe?
    May, seinen Verleger Fehsenfeld streng und zugleich forschend ins Gesicht

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