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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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horcht, späht nach dem Wintergarten. Doch von dort ist weder Auffälliges zu hören noch zu sehen. Die Frauen scheinen beschäftigt. Klara spielt ihre Rolle perfekt. Statt einer Antwort ballt May die Fäuste, presst sie zusammen, dass das Weiße der Knöchel hervortritt. Es sind auffallend kleine Hände mit kurzen, dicken, beinahe geschwollenen Fingern. Fehsenfeld, der neben May stehen geblieben ist, wirft einen Blick darauf. Dies sollen nun seine „Schmetterfäuste“ sein, denkt er belustigt, diese Händchen. Hände, die einen Stift zu halten vermögen, gewiss, aber schon, wenn man sich vorstellt, wie sie mit dem Bärentöter umgehen sollen, kommen einem echte Zweifel. Oh, dass ihm das nicht schon vor Jahren aufgefallen ist, und er besinnt sich an ihr erstes Treffen auf dem Bahnhof „Weintraube“ in Radebeul; von da sind ihm nur die kurzen krummen Beine in Erinnerung geblieben, auf die Hände hat er damals nicht geachtet und ihm fällt Mays Bemerkung ein, die Krümmung seiner Beine rühre vom jahrelangen Aufenthalt im Sattel her. Oh, was sei er nur für ein Narr gewesen, sagt sich Fehsenfeld, was für ein verblendeter, gutgläubiger Narr, und er wendet sich ab, geht zum Fenster, stützt sich auf das Fensterbrett, starrt in den Vorgarten.
    Karl May, es sind Minuten vergangen, atmet jetzt hörbar aus, mit deutlichem Ärger stößt er hervor: Aha, so wäre das also, so sähe das Verständnis eines Verlegers für seinen Autor aus, das werde er sich merken; dabei habe er durch seine Frau klar und deutlich sagen lassen, worum es ihm, May, ginge: Eine illustrierte Ausgabe gäbe es nur, wenn Schneider die Regie übernehme, am liebsten die Zeichnungen selber fertige, und Schneider solle ein Honorar oder eine Gratifikation bekommen, die seiner Leistung und seiner Person angemessen sei, und die Höhe dieser Zahlungen habe er, May, und Herr Schneider festzulegen. Das, lieber Herr Verleger, seien die Fragen, auf die er Antworten wolle, und nicht allgemeine Redensarten zur Marktlage der May’schen Bücher. Im Übrigen, wenn er schlechter verkaufe, so über er damit gewissermaßen Kritik an sich selber …
    Oh, mein Lieber, entgegnet Fehsenfeld und er bleibt am Fenster stehen, spricht sozusagen hinaus in den Vorgarten. Gratifikationen und Honorare wolle er, May, also selber festsetzen, noch dazu für einen Dritten wie den Maler Schneider. Da verkenne der Herr Autor aber gehörig die Kompetenzen. Das Geld komme schließlich von ihm, seinem Verleger, und es sei eine uralte Regel, wer bezahle, der habe zu bestimmen. Es wäre ja noch schöner, wenn neuerdings die Geldempfänger sagten, wie viel ihnen zustünde. Fehsenfeld, mit einem Ruck, dreht sich um, schreitet auf May zu, steht vor ihm als Einsneunzig-Mann, und Karl May mit seinen Einsfünfundsechzig, obwohl der Ältere, sieht aus wie der Schüler vor dem Lehrer. Über Ihr eigenes Geld, lieber May, dröhnt der Verlegers, ja, über Ihr eigenes Geld können Sie nach Belieben verfügen, nicht aber über das meinige, außer, Sie wollten sich an meinem Verlag beteiligen, dann müssten Sie aber eine Einlage von mindestens zwanzigtausend Mark leisten, und hätten selbst bei dieser Summe noch nicht die Majorität … Fehsenfeld bricht ab, denn die Frauen kommen vom Wintergarten zurück. Na, ist das Grundlegende zur Zufriedenheit geregelt? Klara wie auch Paula, mit einem Blick auf ihre Männer, sehen sofort, hier hat es schlimme Auseinandersetzung gegeben, von Einigkeit keine Spur und der Krieg ist noch nicht zu Ende. Paula schwant, ihr Friedrich habe sich wieder einmal nicht beherrschen können und unklug wie er im Aufbrausen wäre, sei es mit ihm durchgegangen, sicher bereue er schon jetzt im Stillen seine Unbeherrschtheit, weil es ihm wieder einmal alles verbaue, den Rückzug erschwere. Sie überlegt, ohne dass sie weiß, was vorgefallen, überlegt fieberhaft, was noch zu retten sei, ärgert sich, dass sie sich habe überreden lassen, mit Klara in den Wintergarten zu gehen …
    Klara indes rettet die Lage, indem sie zum Abendbrot bittet, welches das Mädchen im Speisezimmer inzwischen aufgetragen. Man tritt an den Tisch. Fehsenfeld, der etwas gutmachen will, lobt die Auswahl der Speisen, findet freundliche Worte für die Hausherrin, für ihr Personal, setzt sich als Erster zu Tisch, greift das Besteck. May, der eigentlich an seiner Seite platziert ist, sucht sich einen weiter entfernten Stuhl. Dadurch gerät die Tischordnung einen Moment durcheinander, denn man hatte kleine

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