Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
blickend, lässt ihn gar nicht erst zu Wort kommen, schließt gleich die nächste Frage an – was er denn zu seiner Antwort im „Bilderstreit“ sage, die er ihm durch seine Frau übermitteln ließ?
Klara, die beim Hereinkommen ihres Mannes ebenfalls aufgestanden ist, bittet Paula Fehsenfeld und das Mädchen Dora durch den Salon in den Wintergarten. Sie wolle ihnen etwas Interessantes zeigen, die Männer bedürften ihrer ja jetzt nicht, im Gegenteil, sie glaube vielmehr, dass die Herren allein sein wollten. Paulas Gesicht verfinstert sich, nur ungern geht sie mit, sie weiß, wie sehr ihr Friedrich sie gerade jetzt braucht, sie kennt seine Nachgiebigkeit und auch seine schreckliche Impulsivität, sie weiß, erst braust er auf und dann knickt er ein, schnell ist er Feuer und Flamme, zu allem wild entschlossen, erschlafft dann schnell, verkriecht sich, nimmt die Flinte und wird tagelang nicht mehr gesehen oder er fährt irgendwohin, schreibt nicht, meldet sich nicht. Es ist immer dasselbe. Meistens hat sie Schlimmeres verhindern können und sie besinnt sich der Aktion mit dem Buchhändler in Gundelfingen oder seiner Reaktion auf diesen oder jenen Brief Mays, besonders jene in jüngster Zeit, welche die neuen Deckelbilder betreffen. Also macht sie einen schwachen Versuch. Ob sie nicht … und sie deutet mit dem Kopf zu den Männern hin. Ihr Friedrich sei immer so … Nein, nein, sagt Klara und legt ihr den Arm um die Schulter, glaub mir, Paula, meine Liebe, wir Frauen stören da nur. Es ginge um Geschäftliches … um die Zukunft, um größere Beträge. Und die Männer, auch, wenn sie anders redeten, aus Höflichkeit, aus Ehegründen, um sich den Anschein zu geben, die Männer wollten Frauen bei solchen Gelegenheiten nicht in ihrer Nähe haben. Und die eigenen schon gar nicht. Denn wenn sie gezwungen wären, einmal Schwäche zu zeigen, so sollten das gerade wir Frauen nicht sehen. Wenn sie aber gesiegt hätten oder sich durchgesetzt, trompeten sie es in alle Welt und ihre Frauen erführen es sowieso zuerst. Glaub mir, sie brauchen uns nicht. Es ist so … außerdem, trau ihm doch was zu, deinem Friedrich. Komm, mach nicht so ein Gesicht, bitte …
Klara lacht leise. Komm nur … Widerstrebend, den Kopf noch zwei Mal nach ihrem Mann umwendend, folgt ihr Paula in den Wintergarten …
Fehsenfeld, als die Frauen aus dem Zimmer sind, erregt sich. Er antwortet auf Mays Fragen, forsch und mit gerötetem Gesicht, poltert los. Ach, sein verehrter Autor May wisse ja gar nicht, was „an der Front“ los sei, er wisse ja gar nicht, wie schwer sich die Schneider-Deckel verkauften, jedes Verkaufen eine Überredung, die Buchhändler wären verzweifelt, mancher habe schon die Nachbestellung aufgegeben. Und er möchte die abfälligen Bemerkungen, die Witze gar nicht wiedergeben, die über die Schneider-Ausgabe im Umlauf wären. Briefe habe er bekommen, Briefe, was für Briefe, sogar Anrufe. Man sehne sich zurück nach den alten Ausgaben mit den bekannten Deckeln. Wenn sie sich jetzt nicht etwas einfallen ließen, zum Beispiel eben eine illustrierte Ausgabe, dann hätten sie nichts, um gegenzusteuern. Es sei pure Not, die ihn zu solcher Aktion triebe, und, um es gleich zu sagen, eine Mappe mit Großdrucken der Deckelmotive würde ganz bestimmt ein mächtiger Reinfall, da könne er keine Garantie übernehmen, das pure Zuschussgeschäft sei das. Und es hätte gar keinen Zweck, dass sie sich in gegenseitigen Lobhudeleien und Komplimenten ergingen, wenn draußen im Lande die Stimmung eine ganz andere sei. Freilich, er, May, in seinem Elfenbeinturm wandle auf dem Pfad des großen symbolistischen Wunders, lese womöglich nur die Hymnen, bade in den Lobesbriefen seiner Verehrerinnen wie in parfümierter Seifenlauge, verdränge alles andere und glaube vielleicht am Ende noch selber, er sei ein anderer geworden. Vielleicht stimme das sogar, Fehsenfeld hat sich in eine Angriffslust gesteigert, es treibt ihn fort, seine Stimme droht zu kippen, er schreitet vor seinem Autor, die Hände auf dem Rücken, hin und her, ja, vielleicht habe May sich tatsächlich gewandelt, ruft er aus, und er schreibe ja auch anders als früher, das stimme wohl, aber die Menschen, seine Leser wollten diesen Wandel nicht zur Kenntnis nehmen, sie wollten den alten May, den May, den sie kennen, den sie lieben und mit dem sie aufgewachsen seien. Und von ihm, dem Verleger, verlangten sie daher die alten Bücher. Was solle er tun?
May, in seinem Ledersessel, schweigt, er
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