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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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spirituellen Sitzungen, und das Ganze hat ja auch etwas Kribbelndes, den Hauch von Verbotenem und Geheimem, immer erfährt man etwas Neues, bis in die Nacht wird man beisammensitzen.
    Wenn sie nur nicht wieder so viel weint, sagt die Kaufmannsfrau Baer und öffnet die Vorgartenpforte, die ein wenig knarrt. Mir wird jedes Mal so traurig, dass ich am liebsten mit ihr weinen möchte. Ach ja, liebste Marie, es ist in der Tat schrecklich, stimmt Frau von Scheidt ein, die Arme, sie leidet so furchtbar. Und sie liebt ihn immer noch, obwohl er es doch gar nicht verdient, so schändlich, wie er an ihr gehandelt hat.
    So etwas will ein bekannter Schriftsteller sein, entgegnet die Baer, ein Mann des Geistes! Er hat kein Herz! Oh, ich denke, entgegnet die Hofopernsängerin, da steckt seine neue Frau dahinter, diese Klara. Ein gefährliches Weib! Heuchelt Liebe und Verständnis, schreibt liebevolle Schmeichelbriefe, „liebes Mausel!“ steht da und andere Zärtlichkeiten, aber doch trägt sie den Dolch im Gewande! Was unsere Emma mir alles erzählt hat, selbst wenn nur die Hälfte stimmt – grauenvoll!
    Die Damen treten durch die kleine eiserne Gartenpforte, wobei die Baer der Hofopernsängerin den Vortritt lässt. Unter leichtem Anheben ihrer Röcke gehen sie auf dem Kiesweg dem Hauseingang zu, verharren vor der grün gestrichenen, mit gelben und roten Bleiglasfensterchen gezierten Haustür. Die Baer drückt auf den Messingknauf, öffnet die Tür vorsichtig einen Spalt, steckt ihren Kopf ins Halbdunkle des Hausflurs, zieht ihn indes gleich wieder zurück. Nein, es ist alles ruhig, flüstert sie und ergänzt, das letzte Mal habe sie schon im Hausflur das Gejammer der armen Emma gehört … wirklich, ganz still sei es jetzt. Beinahe totenstill. Sie erblasst und atmet schwer in ihrem zu engen Korsett.
    Wenn nur nicht …
    Frau vom Scheidt, auch sie ein wenig blass, schüttelt ihr blondes Köpfchen, ach nein, Marie, keine Angst; sie hat eine Idee, sie hält ihre Freundin am Arm fest und flüstert: Wir müssen die Arme aufheitern und ablenken. Zu Hause in Dresden hatten sie doch zwei kleine Hunde. Das nächste Mal werde ich so einen weißen Terrier mitbringen. Was glauben Sie, sagt sie lächelnd, wie schnell unsere Emma auf andere Gedanken kommt. So ein Hundchen, das fordert sein Recht und schon kann man nicht mehr so sehr an das eigene Leid denken. Was halten Sie davon, liebste Marie?
    Die Baer war inzwischen in den dunklen Hausflur getreten und hielt der Sängerin die Türe auf. Wie eine Verschwörerin flüsterte sie. Ach was, ein Hundchen, liebste Selma, außerdem habe die Emma doch ihr Karlchen, den Kanarienvogel, dies sei Haustier genug, Hundchen brauche sie nicht; sie, die Baer, sei eine Kaufmannsfrau und von praktischem Sinn, einen ordentlichen Rechtsanwalt brauche die Emma viel nötiger, damit sie endlich gegen das Unrecht ihrer Scheidung etwas unternehmen könne. Um ihrer selbst willen müsse sie ihrem Geschiedenen Paroli bieten. Und dann hat sie die Einwilligung zur Scheidung auch noch unterschrieben, ein dummes Luder, unsere Emma. Ein wirklich dummes Luder. Sie, die Baer, flüsterte die Kaufmannswitwe weiter, sie habe sich schon nach einem geeigneten Anwalt umgesehen, aber, wenn Sie, die Frau Hofopernsängerin, in ihren Künstlerkreisen einen besseren fände?
    Die Künstlerin warf den Kopf in den Nacken. So schlecht fand sie ihren Vorschlag mit dem Hundchen nicht. Aber die Baer hat recht. Man muss etwas unternehmen. Die arme Emma braucht anwaltlichen Beistand.
    Oh ja, antwortete sie, nun auch flüsternd, sie kenne einen geeigneten Anwalt. Sie werde sich darum kümmern. Aber natürlich müsste man die arme Freundin zuerst einmal überzeugen. Und so ein Anwalt kostet auch sein Geld. Ob sie, die liebe Marie, schon daran gedacht hätte, etwas beizusteuern, die arme Emma habe ja nichts. Indes, liebste Marie, so ein kleines Hundchen …, fing sie wieder an, brach aber ab, weil sie sah, wie ihre Freundin ein unwilliges Gesicht machte. Nun gut, man würde sehen, dachte die Sängerin und trat auf den unteren Treppenabsatz.
    Die Röcke raffend, stiegen die beiden Damen alsdann nach oben. Sie schwiegen beim Emporsteigen, einesteils, weil sie ihre jeweiligen Meinungen ausgetauscht hatten, zum anderen wollten sie nicht, dass man ihre Stimmen auf der Treppe hörte, denn man wusste, in solchen kalten, stillen Hausfluren traten die Bewohner voll voyeuristischer Lust leise hinter ihre Türspione, um möglichst jedem Geräusch, das

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