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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Streit im Salon ausgebreitet. Ein Zündfunke würde genügen. Gleich gibt es eine Katastrophe, dachte Klara.
    Da wandte sich die Fischer-Gattin an die Männer. Die Frauen hatten ja nur zwei, drei Meter von ihren Männern entfernt auf einer seidenbespannten Chaiselongue gesessen, sie hatten ihre eigene Unterhaltung unterbrochen und mit entsetzten Gesichtern alles verfolgt.
    Meine Herren, sagte Frau Fischer, ich bitte Sie. Wir sind nicht zum Raufen gekommen. Und zu ihrem Mann: Gut, Adalbert, lassen wir das fallen.
    Fischer schloss den Mund, er setzte sich wieder gerade hin, aber er machte ein nicht sehr überraschtes Gesicht, und Klara dachte einen Moment, dass die beiden Eheleute sich abgesprochen haben könnten. Ihr Verdacht schien sich zu bestätigen, als die Fischer sich an Karl wendete und vorschlug, er könne ihnen doch für den „Verlorenen Sohn“ praktisch als Ersatz etwas von seinen anderen, jetzt so bekannten, Werken geben. Der Fehsenfeld sei durch ihn, den erfolgreichen Karl May, reich genug geworden, der könne leicht etwas abgeben. Sie aber, die armen Fischers, könnten’s brauchen, nötiger als irgendwer, sie hätten Kinder. Wie man hört, schriebe er an einem neuen China-Roman, oder den Surehand, den könne er doch herausrücken …
    May hat sich wieder auf seinen Platz gesetzt. Er wirkt ruhig. Mit einem lustigen Funkeln in den Augen antwortet er: Ach, die lieben Fischers, wirklich reizend. Sie bleiben sich tatsächlich treu. Ganz genau die richtigen Münchmeyer-Erben. Sie setzen den Ausräuberungsfeldzug gegen mich fort, wie der Alte, so die Jungen. Jedes Mal, wenn wir uns treffen – er wendet sich jetzt wieder seinem Gegenüber, Adalbert Fischer, zu – jedes Mal ein neuer Versuch, an mein Portemonnaie zu kommen, mal von links, mal von rechts, mal plump, mal raffiniert, auf alle Fälle jedes Mal ein neuer Erpressungsversuch.
    Aber, Verehrtester, riefen beide Fischers wie aus einem Munde, das ist doch keine Erpressung. So etwas liegt uns fern. Und Adalbert Fischer wiederholte, sie wollten doch nur sein Bestes, was nützte es ihnen, wenn er, May, vernichtet würde. Freilich, fügte er an, es wäre doch verständlich, wenn sie darum kämpften, Schaden von ihrem noch jungen Unternehmen fernzuhalten. Für einen Weltautor wie ihn, Karl May, wäre es doch eine Kleinigkeit, wenn er für sie, die Fischers, ein paar Bände opferte oder gar, was ihnen noch lieber wäre, gleich ein paar neue schriebe …
    May antwortete darauf nichts, er faltete die Hände vor dem Bauch und schmunzelte in sich hinein. Wieder schwieg die Runde. Das Schweigen dauerte diesmal länger. Eine unheimliche Stille breitete sich aus. Nur die große Standuhr tickte unaufhaltsam und gleichmäßig. Von der Straße hörte man ein Pferdegespann vorüberrasseln und die Rufe des Kutschers, der die Gäule antrieb. Plötzlich die Auguste Sophie Fischer. Sie war unvermittelt aufgestanden und hatte sich vor May niedergekniet. Ihr weiter hellblauer Rock bauschte wie eine Glocke, aus ihrem Haar hatte sich eine Strähne gelöst und hing ihr nun lose in den Nacken. Die schwere Schmuckkette schaukelte vor ihrer Brust. Welche Impertinenz, dachte Klara, welches Schmierentheater, dass sie sich nicht schämt. Was soll das? Die Fischer umklammerte Mays Beine und sie achtete nicht auf Klaras Entsetzen und auf Mays widerwilligen Gesichtsausdruck. Helfen Sie uns, jammerte sie, bitte helfen Sie uns, wir sind am Ende. Er, der erfolgreiche Schriftsteller, hätte doch wahrlich genug Geld, klagte sie weiter, er würde darin schwimmen. Ob er sie nicht, sie und ihren armen Mann, zu seinem Universalerben einsetzen könne. Er habe ja keine Kinder und seine Frau bekäme auch sicherlich keine mehr. Klara blickte starr und steinern geradeaus. Bitte, bitte helfen Sie, jammerte die Fischer wie eine Bittstellerin noch einmal. Adalbert Fischer hatte mit ernstem ausdruckslosen Gesicht auf seinem Stuhl gesessen. Dann aber fing er diesen Blick von Klara auf, und er beugte sich vor, hob seine Frau auf. Liebes, sagte er leise, Liebes, so beruhige dich. Erniedrige dich nicht. Noch niemals hat ein reicher Mann für einen armen etwas übrig gehabt. Das ist der Lauf der Welt. Wir müssen so weitermachen, uns bleibt nichts anderes zu tun. Unseren Kindern wird Armut beschieden sein. Da fing die Auguste Sophie Fischer an zu weinen. Entschuldigen Sie, sagte sie unter heftigem Schluchzen, bitte Herr May, entschuldigen Sie, und sie nahm leise wieder auf dem Chaiselongue neben Klara Platz,

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