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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Parfümduft, der noch im Raum schwebt, wenn alle schon längst gegangen sind.
    Du hast recht, Herzle, antwortet May, auch unser Herrgott liebt die Fähigkeit zur Versöhnung von allen Menscheneigenschaften am meisten – aber jetzt Schluss damit, gleich morgen wollen wir unseren unterbrochenen Urlaub fortsetzen, wir fahren zurück zur Bastei, in die liebliche Sächsische Schweiz, zu den lieben Bernsteins, die dort geblieben und ganz bestimmt erfreut sein werden, wenn wir wieder beisammen sind.
    Wir schicken ein Telegramm. Eintreffen morgen. Treffpunkt Hocksteinschänke.
    Das sei doch nicht die Bastei, lacht Klara.
    Aber dicht daneben. Und Bewegung tue ihnen allen gut.

4
    Meißen. Zaschendorfer Straße 81. Mitte Oktober 1903. Es ist kalt, trübe und regnerisch, ein Geruch nach Schnee lässt sich erahnen, die warmen schönen Tage scheinen endgültig dahin.
    In seinem grauen Festungsbau, dem massiven wuchtigen Haus, läuft der Maler Schneider im offenen weißen, wiewohl ziemlich beklecksten, Kittel durch sein Atelier und schlägt mit der Faust auf alles, was ihm im Wege steht, auf Gipsfiguren, auf Staffeleien, auf verhüllte und nicht verhüllte Bilder, auf Fertiges und Unfertiges. Der Maler Schneider ist in Rage. Der Maler Schneider ist ergrimmt. Jedes Mal, wenn er mit seiner festen, muskulösen Faust irgendwo draufschlägt, stößt er kleine Flüche aus. Verdammte Schweinehunde! Lumpenbande! presst er zwischen den Zähnen hervor, und als seine Schwester Lilly, vom Lärm angelockt, erschrocken den Kopf zur Tür hereinsteckt, schreit er entnervt „Hinaus! Scher dich zum Teufel! Ich will niemanden sehen!“ Schnell zieht sie den Kopf zurück, geht an ihre Hausarbeit. Auch im Garten muss sie noch etwas tun, Herbstarbeiten. Sie weiß nicht genau, was mit ihrem Bruder los ist, aber es muss mit dem Brief zusammenhängen, den er am Morgen bekommen hat. Sie hat den Brief wortlos überreicht und er hat ihn aufgerissen, mit schnellen Augen überflogen und sofort mit dem Toben begonnen. Er hat die große Doppeltür zum Atelier zugeschlagen und sie hat gehört, wie er dahinter umging.
    Ja, es hat an diesem Brief gelegen, dass er die Fassung verloren hat. Eine Absage stand darin, sogar gezeichnet vom Innenminister Georg von Metzsch-Reichenbach und von irgendeinem Beamten des Kultus, einem Albrecht von Sterneck, man bedaure außerordentlich, aber dem Antrag des Antragstellers, Herrn Rudolph Karl Alexander Schneider, mit seinem Werken entweder auf Dauer in die Königlichen Sammlungen oder in die Dauerausstellung in der Kunstakademie am Brühlschen Ufer aufgenommen zu werden, könne nicht entsprochen werden. Man verweise auf seine, des Antragstellers, diesjährige Teilnahme an der Dresdner Kunstausstellung, in deren Auswahlkommission er mitgearbeitet habe, auf andere diverse Ausstellungen, wo er vertreten gewesen wäre, wie der im Kunstsalon der Königlichen Hofkunsthandlung Emil Richter oder im Kunstsalon Lichtenberg, ebenfalls allhier in Dresden, oder bei Ausstellungen in Wiesbaden, in München und nicht zuletzt im Königreich Preußen, in der Gurlittschen Ausstellung zu Berlin oder mit seiner Werkspräsentation in der Gutenberghalle des Deutschen Buchgewerbehauses in der Sächsischen Handelsstadt Leipzig und anderswo etc. p.p., kurzum der Antragsteller sei im Vergleiche zu seinen Zunftkollegen durchaus gut, ja herausragend aufgestellt, er solle dies bitte bedenken, indes prüfe man seinen Antrag zu gegebener Zeit aufs Neue und es sei nicht auszuschließen, dass … usw. usw . – diese verfluchten Banausen! Diese sächsischen Pressköpfe! Wie nur solle er weitermachen, denkt der Maler Schneider voller Ingrimm und Verzweiflung, trotz allem Schein und vorgespiegelten Erfolg drücke ihn die Not, da sei die Miete für das Haus, das Atelier, Verpflichtungen von allen Seiten, er brauche einen wirklichen großen Durchbruch, dringender denn je, einen neuen Durchbruch, einen wie damals vor zehn Jahren, freilich Klingers Zuspruch tue ihm wohl, auch die Anerkennung von anderen Seiten, von den Freunden Zwintscher, Unger und Müller, sogar aus Italien – aber was nütze ihm das alles, wenn das Geld fehle? Er hat sich eingeschränkt in letzter Zeit, auf vieles, beinahe auf alles verzichtet. In der Oper oder in einem guten Restaurant sei er schon monatelang nicht mehr gewesen. Einen neuen Anzug oder eine Reise, in den Süden, in sein Lieblingsland Italien zum Beispiel, gar nicht dran zu denken. Wie nur gehe es weiter? Wie? Werde er vermittels

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