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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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die Entente cordiale und den Balkankonflikt. Eine Zeitlang hatten die Gäste des Cafés von den nächststehenden Tischen diesem Gespräch zugehört, interessiert, amüsiert, neugierig, sachverständig, ein paar mit zugesperrten Gesichtern. Es war ja auch nicht zu überhören, was der Mehnert da von sich gab und dem anderen ins Gesicht stritt.
    Da, auf einmal, abrupt und das Thema wechselnd, unterbricht der Freizeitdichter Spitzner den Disput. Er werde in der nächsten Nummer der Zeitschrift „Der Türmer“, der Monatsschrift für Geist und Gemüt, ein Gedicht veröffentlichen, ruft er, „Nächtliche Wanderung“ genannt, er trüge es schon jetzt fertig im Kopfe herum. Und Spitzner springt auf, rezitiert die lyrischen, schwermütigen, geschmalzenen Verse. Sie kommen locker, rhythmisch aus seinem Juristengesicht; hinter seinem Kneifer beobachtet er, gierig, genusssüchtig, lächelnd, die Wirkung.
    Man murmelt, ist überrascht, ein paar klatschen, trinken ihm zu. Er, die Pfeife wieder zwischen den Lippen, setzt sich, schließt die Augen, ist zufrieden. Aber der Gesprächspartner des Paul Mehnert vom Nachbartisch, wie sich herausstellt ein Maler und ebenfalls Schriftsteller, Georg Schwenk, ein Mann um die vierzig mit spitzem Gesicht, Stirnglatze und fiebrigem Blick, man weiß, er lebt seit ein paar Jahren im Loschwitzer Künstlerhaus, findet das Gedicht unpassend und albern, dem sächsischen Geist und dem der Zeit unangemessen.
    Auch der Schwenk trug wie der Spitzner einen grauen, grün bebordeten Trachtenjanker mit Hornknöpfen, fast hätte man denken können, sie wären aus dem fernen Bayern herbeigeeilt, die beiden Dichter; auch schrieb der Schwenk wie der Spitzner heimatverbundene Geschichten und Gedichte, doch galt seine Liebe mehr dem Drama, er arbeitete seit Langem an seinem Werk „Gottfried von Gutenbronn“, das, von Stifter beeinflusst, den Bogen in die Geschichte spannte, auch war er eher, vielleicht, weil er eine große Familie besaß, der Typ des frommen Einsiedlers, der nur an wenigen Sonntagen vom bergigen Hinterland hinab ins Elbtal kam und dann, wie heute, im Café Seidelmann sein Aufgestautes ablud. Seine Geschichten waren weniger geistreich und zeitkritisch, hatten nur spärlicheren Witz als jene seines Konkurrenten, sie rührten aber ans Gemüt, schufen Erhebung und Erbauung; er glaubte an das Gute im Menschen, außer in dem Dr. Spitzners, den er aus tiefstem Herzen verabscheute. So saßen sie sich gegenüber, die beiden Dresdner Dichtergrößen, mit roten, verspannten Gesichtern, maßen sich hinter ihren Kneifern mit kleinen bösen Augen, der Spitzner leicht amüsiert, sein Bärtchen bebte, der Schwenk hielt den blankschädeligen Kopf gesenkt, schnaubte, wirkte hilflos. Wie ein plötzlicher Graupelschauer zeterte alles aufeinander los, diejenigen, welche Spitzners Gedicht gut und gelungen fanden, gegen die, welches es ablehnten. Allgemeines mengte sich hinein, die Politik, der Kulturkampf. Schließlich errang die Stimme des Paul Mehnert, wiewohl nicht laut und durchdringend, doch aber sonor und geübt, die Oberhand. War er nicht immer eingetreten für die unbedingte Freiheit der Kunst, Freiheit, bestimmt von den Grenzen des moralischen und politischen Anstandes, und der Schwenk wie der Spitzner sollten sich bedenken, den anderen respektieren, freilich, neuerdings gäbe es Anzeichen, dass der proletarische Vulgarismus das Haupt erhebe, dass mit ihm der allgemeine Kulturverfall einhergehe, dass man mehr denn je die alten Werte bewahren müsse wider das falsche Morgenrot und Paul Mehnert warf dem Dr. Sterneck einen bedeutungsvollen Blick zu, einen Blick, den dieser sofort verstand, denn er betraf zu einem Teil die Sache, derenthalben er heute hierhergekommen war und wegen der er auch mit dem Gesamtminister Metzsch reden wollte. Sterneck erwiderte den Blick, fest, bestimmt:
    Wollte Mehnert ihm etwa einen Vorwurf machen? Das war abwegig. Er hatte richtig entschieden in der Antragssache Schneider, nicht zu viel und nicht zu wenig hatte er aufgesetzt für das Schreiben, geradezu ausgewogen war seine Antwort an den Maler ausgefallen. Woher aber wusste der Mehnert überhaupt davon? Konnte er denn nicht lassen, an allen Fäden zu ziehen?
    Die Kellnerin Gretel lehnte am Tresen und hörte zu, sie sah besorgt, wie der bekannte Parlamentarier sein Birnenkompott kalt werden ließ. Auch den Strudel hatte er noch nicht angerührt. Sie wusste Bescheid um die Stellung und um die Meinung ihrer Stammgäste in der

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