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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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fühlten sich sicher und auch behaglich. Ein anheimelndes Gefühl kam in ihnen auf. Man nahm Platz. Jeder der Anwesenden hatte im Laufe der Zeit seinen Stammplatz hier erworben, und da sie heute mit dem Gesamtminister Metzsch nur insgesamt vier Personen waren, den Guterstein nicht mitgerechnet, denn der pflegte, wenn er da war, sowieso nur in der linken Ecke neben dem Alkoven zu hocken, saßen sie verteilt über den ganzen Raum. Wollen wir nicht ein wenig zusammenrücken? fragte Metzsch denn auch sogleich, während er sich eine seiner langen Zigarren anzündete; aber die Herren wollten auf ihren Lieblingsplätzen bleiben, nein, man war es so gewöhnt. Lass uns nur auf unseren Plätzen. So sind wir es gewöhnt, Georg, sagte Mehnert und zeigte durch das vertrauliche „Du“ zugleich, wie er mit dem Alten stand, was er sich herausnehmen konnte und wer hier der Macht am nächsten stand. Nur der junge Ministerialassistent Dr. Sterneck rückte drei Stühle weiter und nahm in der Nähe des Gesamtministers Platz. Ein wohlwollendes Lächeln glitt über dessen Züge, er nickte Sterneck zu, blickte dann zur Tür, denn diese war scheinbar von selber aufgegangen, wie von Geisterhand, der Lärm des Cafés schwoll herein; plötzlich aber erschien die Kellnerin Gretel mit zwei vollen Tabletts. Sie hatte die Tür geschickt zuerst mit dem Ellenbogen und dann mit dem Fuß aufgestoßen, um, ohne ihre Last abzusetzen, hereinzukönnen. Ein breites, beinahe entschuldigendes Lächeln erschien routinehaft auf ihrem Gesicht, dann setzte sie beim ersten Tisch die Tabletts ab, hob den Kopf und nannte die Köstlichkeiten beim Namen, die sie zu servieren gedachte. Also, da wäre: Für seine Exzellenz, den Herrn Grafen Metzsch, der Viertel Veltliner – richtig? Dann ein Käsebrot, heute mit echtem Schweizer, der Nachtisch, der Magenbitter. Alles recht so? Die Wurst kommt sogleich, sie soll doch heiß sein, nicht wahr.
    Hier der Kuchen für die anderen Herren, der Kaffee, der Tee für Herrn von Rüger und das Tartar für den Herrn Sekretär. Ist doch alles recht so? Kein Widerspruch, nur wohlwollendes Kopfnicken kam von den Herren. Die Kellnerin stellte das Gewünschte vor den Einzelnen auf, hantierte blitzschnell, knickste, verschwand wieder, einige Augenblicke später brachte sie den Rest, wünschte Guten Appetit, knickste aufs Neue, huschte hinaus, ließ ein zufriedenes Lächeln auf allen Gesichtern zurück.
    Graf Metzsch, der große allmächtige Gesamtminister, brummte, man solle es sich zuerst schmecken lassen, es dürfe nichts kalt werden, und er begann, ein wenig hastig, ohne auf die anderen zu achten, seine Wurst mit einem kleinen scharfen Messerchen zu zerteilen, tauchte die Stücke in den Senf, brach ein Stück Brot, aß mit Behagen, kaute, ließ sich Zeit.
    Es begannen auch die anderen Herren zu essen. Sie aßen, obwohl sie doch vorher, im Hauptlokal, schon gegessen und getrunken hatten. Es aß der mächtige Führer der Konservativen Paul Mehnert, aß seinen Apfelstrudel mit ernster, konzentrierter Miene, es löffelte der Finanzminister von Rüger sein Birnenkompott, trank seinen Friesentee, es biss der junge Ministerialassistent Sterneck in sein Kuchenstück und es richtete mit unverhohlener Gier der Geheimsekretär an dem separaten Tischchen sein Tartar an, er mengte das Ei unter das Fleisch, bestrich mit Butter das Brot, trug das rotgelbe Gemengsel drauf. Sie aßen still und aufmerksam, die großen Herren, aßen folgsam wie die Schüler zu einem Klassenausflug, darauf bedacht, nicht früher und nicht später fertig zu werden als ihr Gesamtminister Graf Metzsch. Teller klirrten leise, Löffel klingelten, Tassen wurden abgesetzt, manchmal schlürfte ein Mund, wischte eine Serviette über Lippen, knarrte beim Vorbeugen ein Stuhl – eine Frühstückssinfonie; in seltener Harmonie saßen die Herren, und mit dem letzten Bissen, dem letzten Schluck ihres Konzertmeisters beendeten auch sie ihr Mahl, lehnten sich im Takt zurück, warteten, die Köpfe erwartungsvoll ihm zugewandt.
    Der Gesamtminister warf einen prüfenden und, wie es allen Anwesenden später vorgekommen war, einen besonders ernsten Blick in die Runde, dann mit jener Bedeutung und dem Hintersinn in der Stimme, für den er berühmt war, sagte er: Verehrte Herren, er müsse es leider sagen, aber es gehe seiner Majestät nicht gut, man müsse mit der demnächstigen Regierungsunfähigkeit rechnen, nicht unbedingt mit dem Tod, nein, aber sein Gedächtnis, besonders das für die

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