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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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den Rücken, beginnt vor der ihn anstaunenden Klara und dem ein wenig verwirrt lächelnden Maler hin und her zu laufen. Mein Leben, fährt er fort, und beide, sowohl seine Frau wie sein Gast wissen, er zitiert weiter aus seinem jüngsten Roman, obwohl es tatsächlich so klingt, als spräche er frei und unbefangen über sich selber, mein Leben, sagt er also auf und ab gehend, so schrieb ich, ist sehr reich an solchen sogenannten Zufällen gewesen, welche sich später als für mich außerordentlich wichtig erwiesen haben, und wenn ich dann auf sie zurückblickte, so entdeckte ich, dass sie mit einer logischen Folgerichtigkeit an mich herangetreten waren, die mich als denkenden Menschen zwang, sie nicht einem willenlosen, blinden Ungefähr, sondern einer außerhalb mir und jenseits dieser Tatsachen existierenden, unendlichen Güte zuzuschreiben… May ist vor seinem Polstersitz angekommen, er bleibt stehen, blickt mit einem gewissen Triumph auf die beiden hernieder.
    So weit mein Buch!
    Nun aber, mein Lieber, sehen Sie, schreibt das Leben den Text, denn die Umstände wie wir uns kennengelernt haben, wie wir unabhängig voneinander den gleichen Ideen und Gedanken nachhängen, wie wir die jetzige Welt in gleichem Maße erkennen und abbilden, ich in meinem neuesten Buch, wie in folgenden geplanten und teilweise begonnenen, und Sie in Ihren Gemälden, und zwar in denen, die Sie schon vor unserem Zusammentreffen vollendet sowie jetzt nach der Lektüre meiner Bücher geschaffen haben, bestätigen das Gesagte. Der allwissende und allschaffende Gott hat davon gewusst und uns zusammengeführt, ob wir das wollten oder nicht. Die Zeit war einfach reif dafür. In meinem Gebet bat ich ihn und er hat mich erhört und uns, wie Sie gerade sagten, aufeinander zugeschoben. Wie auf einem Schachbrett. Sehen Sie, mein lieber Freund, ist das nicht Grund, unserem Gott in gläubiger Treue anzuhängen?
    Der Maler, ohnehin kein Mann des Wortes, und von der Ansprache des Berühmten einigermaßen verwirrt, weiß nicht, was er sagen soll, auch hat er Furcht, durch eine unbedachte Äußerung ein falsches und unpassendes Bild zu erzeugen, denn mit der Festigkeit seines Glaubens ist es nicht weit her, glaubt er. Sich auf Gott zu berufen, ist nicht seine Sache. Er, der Maler Schneider, ist eher ein Künstler, der sich seinem Gefühl, seiner Intuition, hingibt, und dieses Gefühl hat ihm gesagt, ein Bild wie „Die sterbende Menschheit“ sei das richtige für den Augenblick, geeignet für den Anfang mit dem Schriftsteller May. Er hat gehofft, nicht gewusst, dass er damit den Nerv treffen wird. Ratlos sitzt er jetzt, wenn auch erfüllt vom Glück, das Rechte geschaffen zu haben. Aber, sagt er sich, May habe recht, es scheine tatsächlich so, als ob ihre beiden Seelen im Gleichklang schwingen. Das gibt es. Auch mit seinem Malerfreund Klinger ist es so, auch mit dem versteht er sich, als wären sie Brüder, mit dem muss er nicht viele Worte machen. Womöglich verhält es sich mit May genauso. Er aber, der Maler, hält das Ganze denn doch für einen Zufall. Nein, nicht für Bestimmung. Ja, der Zufall, vielleicht ein göttlicher, hat sie zusammengeführt. Ihn, den Maler, mit dem Schriftsteller. Und die Zeiten haben das Ihre getan.
    So denkt der Maler Schneider, während sein Gastgeber sich wieder niedergesetzt hat und ihn nun erwartungsvoll mit einem langen Blick aus seinen blauen Augen anlächelt. Auch die Frau Klara scheint eine Erwiderung zu erwarten. Überhaupt kommt es Schneider vor, als ob die Frau ihrem Manne in allem nacheilt, sie seine Gedanken sozusagen im Fluge aufgreift, um ihnen, bevor sie gelandet sind, zuzustimmen und den passenden blumigen Landeplatz zu geben. Doch vielleicht müssen gute Ehefrauen so sein, denkt er. Wer weiß das?
    Ach, wissen Sie, lieber May, entgegnet Schneider zögernd und leise, Sie haben sicher recht, mit all dem, was Sie sagen, mich aber treiben eher die irdischen Dinge um. Verzeihen Sie meine Offenheit, aber, da sind Fragen, wie finanziere ich meine nächste Ausstellung? Wann bekomme ich nun endlich eine Anstellung für das Lehramt in Weimar, wie mir Klinger wieder und wieder versichert? Ich brauche diese Anstellung, wissen Sie. Brauche, verzeihen Sie mir, ein regelmäßiges Einkommen. Dann hoffe ich, von Tag zu Tag mit stärkerer Unruhe – wann werde ich endlich ein paar von meinen Bildern verkaufen? Sie haben die großen Schinken in Meißen gesehen. Sie sind ja nahezu unverkäuflich, leider. All diese profanen,

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