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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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wohlfrisiert, hochhackige Schuhe, jung, noch keine vierzig, ist einen halben Kopf größer als ihr Mann. Beide ziemlich festlich gekleidet. Wo die wohl hinwollen? Nach Loschwitz ging die Bestellung. Eine ganz schön weite Strecke, das wird dauern. Schon allein die Umleitungen am Kaiser-Wilhelm-Platz und weiter zur Körnerstraße und am Königsufer.
Die Bauerei nimmt ja keen Ende heitzutache.
Na, mir soll’s recht sein, sagt er sich, ich werd’s ja gleich erfahren, wo’s genau hingehen soll. Der Kutscher öffnet den Wagenschlag, macht noch einmal eine pflichtschuldige Verbeugung.
    Na, haben Sie lange gewartet? fragt May, und als er keine Antwort, nur ein Achselzucken bekommt, na ja, es sind ja nur ein paar Minuten gewesen. Übrigens, schöne Pferde haben Sie da. Glückwunsch. Sehr gepflegt. Schön. Sieht man selten heute. Der Kutscher lächelt zufrieden. Ist also doch ein Ehrenmann, der May. Tag, die Herrschaften, sagt er, habe gerne ein bisschen gewartet. Wo soll’s denn hingehen, Herr Doktor?
    May, plötzlich brummig: Warum er ihn Doktor nenne, woher wisse er, was seine Fahrgäste für Titel trügen? Jetzt solle er sie, seine Frau und ihn, erst einmal nach Loschwitz bringen. Ein kurzes Stück die Schillerstraße hinauf zum Herrn Architekten Kreis. Der Herr Professor wohne dort in Nummero 12.
    Sehr wohl, Herr Doktor, entgegnet der Kutscher ungerührt und tippt mit dem Peitschenstiel an seinen schwarzweißen Zylinderhut. Nach Loschwitz also! Die Schillerstraße hinauf.
    Was, den steilen Stich? ruft er plötzlich entsetzt. Da werden meinen Gäulen aber die Zungen heraushängen. Und Nummer 12 sagen Sie? Ist das nicht die Thorwaldsen-Villa?
    Ganz recht, entgegnet May.
    Na, das wird aber fünf Viertelstunden dauern. Und die letzten Meter müssen Se sowieso zum Bergsteiger wer’n, Herr Doktor. Das geht mit ner Kutsche nicht. Viel zu steil, und wenden kann man auch nicht. Klare Sache.
    Das mache nichts, sagt May. Mit der Benzindroschke wäre man auch nicht viel schneller gewesen und die könne vor der Villa ebenfalls nicht wenden.
    Das stimmt aufs Haar, Herr Doktor. Sie kennen sich aus. Klare Sache. Und als Pferdekenner werden Sie ja sowieso lieber
mit ner richt’schen
Kutsche fahren wollen. Klare Sache.
    Schon gut, Mann! Jetzt solle er endlich losfahren, sagt May und schließt das Fensterleder. Er hat seine Taschenuhr gezogen. Gedämpft, aber ärgerlich klingt seine Stimme von drinnen:
    Ein bisschen flott, wenn ich bitten darf.
    Klare Sache. Los, Else, los Petro, hüh …
    Die Pferdedroschke setzte sich in Marsch. Es war eine von den neueren, gut gefedert, mit Hartgummireifen und weichen dunkelgrünen Samtpolstern. Das Ehepaar May saß gut und bequem darin, schaukelte und erzitterte ein wenig, je nach dem Zustand der Straßen der inneren Stadt, durch die sie fuhren. Gleichmäßig klang der Hufschlag der Pferde. Vom Kutscher hörte man nicht viel, manchmal ein „hoh!“ oder ein „heh!“, an den Kreuzungen fluchte er, beschimpfte Fußgänger oder die wenigen Automobillenker, die seinen Weg kreuzten:
Nu, kennt ihr ni schneller über de Straße machen!,
dann war er wieder still, schnalzte nur mit der Zunge oder ließ die Peitsche knallen.
    Ab und zu zog May seine Taschenuhr, klappte den Deckel auf, hielt das Ziffernblatt schräg ins Licht der vorbeiziehenden Straßenlaternen, zählte die Minuten, fluchte. Er hasste es, zu spät zu kommen. Kreis hatte geschrieben, man erwarte sie gegen acht Uhr, doch man war nicht losgekommen in Radebeul. Erst hatte die Uralte gejammert, die alleine bleiben musste und gerade heute wieder ihr schlimmes Bein hatte, es werde mit jedem Tag ärger, bald komme sie gar nicht mehr herunter aus ihrer Dachstubengruft, und Klara hatte sie einreiben müssen und ihr einen Beruhigungstee gekocht, denn das Mädchen war schon nach Hause gegangen; dann war ihm, May, noch eine Textstelle eingefallen, die er unbedingt notieren musste, weil er Angst hatte, er werde sie sonst vergessen, schließlich hatte er die Manschettenknöpfe nicht gefunden und Klara ihr Theatertäschchen, das sie mitnehmen wollte. Sonst lagen die Perlmuttknöpfe immer im Nachtschränkchen, doch heute waren sie nirgends zu finden. Durch das halbe Haus war er gestürmt auf der Suche nach ihnen. Beinahe hätten sie sich gestritten, Klara und er, weil sie behauptete, er vergesse jetzt schon die einfachsten Dinge, und sie wisse genau, er habe die Knöpfe selber zuletzt in der Hand gehabt, als sie aus der Oper gekommen wären.

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