Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
sie wusste, überall war sie sogleich selbstverständlicher Mittelpunkt. Die Art, wie sie Klara beschaute, kühl, ungeniert, prüfend, schien dieser nicht uneben. Klara ihrerseits sah zufrieden die Wirkung, die sie auf die Gastgeberin machte, fand sogar Gefallen an ihr, setzte sich, sobald die Begrüßungsrunde absolviert war, neben sie. Klara wusste, wie schwer es war, sich in dieser großen und gefährlichen Welt der Künstler und Bedeutenden, einer Welt, die sich mit dem Ruhm ihres Karl nun auch ihr auftat, zu behaupten. Sie war, wenn auch immer tatkräftig und mit geschäftlichem Geist ausgestattet, von unten heraufgekommen, jetzt war sie angelangt und sie war sicher geworden, aber es war nicht immer leicht gewesen an der Seite dieses Mannes, und noch immer sah sie sich mit Sympathie und der eigenen Betätigung freuend, wenn eine tapfere Frau wie sie akzeptiert wurde und sich nicht unterkriegen ließ. Interessiert, sachverständig hörte die Architektengattin die Geschichte von Klaras Weg, dem Krach mit Mays erster Gattin, wie sie Schritt für Schritt Systematik und Ordnung in das Schriftstellerleben ihres Mannes gebracht hatte, den Schwierigkeiten mit den Verlagen, dem Umgang mit den Tausenden von Anfragen, den Besuchern, den Bewunderern, den Kritikern. Die beiden Frauen, die hochgewachsene mit den hellen Augen und die kupferhaarige, üppige mit dem satten, wissenden Gesicht, sahen, so vereint, ihre Sätze in sächsischer und niederdeutscher Mundart tauschend, dermaßen sicher aus, dass der optimistische Wilhelm Kreis, der sie während seiner Gespräche mit den anderen Gästen beobachtet hatte, an dem endlichen Erfolg seines Abends nicht mehr zweifelte.
Hier haben wir, sagte der Hausherr auf seiner Vorstellungsrunde, unser Multitalent Cuno von Hardenberg, der mit einer Freundin erschienen ist. Wenn er Multitalent sage, lachte Kreis, dann wisse er nicht, sei Hardenberg nun zuerst Maler oder Schriftsteller oder Weltreisender oder Freimaurer. Andauernd sei er, wenn man ihn sozusagen festnageln wolle, gerade mit einer anderen seiner Künste beschäftigt …
Der lange Graf, von seiner Weltreise, die er im letzten Jahr beendet hatte, noch durch einen Seemannsbart geziert, war ein schlagfertiger, humoriger Typ. Mit einem Lächeln wandte er sich an May: Ach wissen Sie, lieber Shatterhand (ich darf Sie doch so nennen?), das weiß ich selber nicht …
Aber, fuhr er fort, an dieser Stelle erzähle er immer eine Geschichte aus seiner Kindheit.
Er erinnere sich nämlich, wie er im Alter von drei oder vier Jahren, angetan mit einem schottischen Kleidchen, auf die Rückenlehne eines alten Mahagonisofas, welches, daran erinnere er sich genau, mit korallrotem Rips überzogen war, geklettert wäre, und zwar nur weil darüber an der Wand ein Gemälde aus der holländischen Wouwermannschen-Schule gehangen habe, die Schlacht bei Cannae darstellend. Als seine besorgte Mutter dann ihn derart turnend auf ihren Möbeln vorgefunden habe, sei sie sehr erschrocken und habe ihn schnellstens unter den Ärmchen gefasst und zurück auf die Erde befördert. Er habe damals die Sache so aufgefasst, dass die Möbelkletterei strafbar, Kunstenthusiasmus hingegen gestattet sei. Hätte er das mütterliche Eingreifen anders gedeutet, wäre aus ihm vielleicht ein bedeutender Alpinist geworden. So sei er in erster Linie ein Liebhaber der bildenden wie überhaupt jeder wahren Kunst geworden, und er vermöge tatsächlich nicht zu sagen, was er lieber wäre, ob Maler oder Schriftsteller, er sei weiter nichts als ein Kunstliebhaber und daraus resultiere alles andere, denn alle Kunst gehöre sowieso zusammen; je nun die Freimaurerei bliebe noch, aber die sei ja so geheim, dass er darüber gar nichts sagen könne …
Die Mays lachten zu dieser Rede, auch Kreis, obwohl er das Ganze sicher schon ein paar Mal gehört hatte, lachte mit, auch die Freundin an der Seite des Grafen Hardenberg lächelte.
Hardenberg stellte sie vor: Lisa Andrejewna! Er tat das, als bezeichne dieser Name einen Menschen, bekannt über den halben Planeten. Es war aber die Dame ein schmales, blasses Mädchen mit einem lebhaften und seltsam zuckenden Gesicht sowie anmutigen, ein wenig herausfordernden Bewegungen, schrägen, fiebrig blauglänzenden Augen. Sie sei eine russische Tänzerin, sagte Hardenberg, und vielleicht beehre sie (er warf ihr einen aufmunternden Blick zu) die Gesellschaft noch mit einem ihrer bekannten Ausdruckstänze …
Oh, rief Kreis, darauf freue er sich, aber
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