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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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des Königlich Sächsischen Oberlandweinmeisters Heinrich Roos befunden, ein großartiges Areal, dessen bauliche Überreste sie dort drüben, und Kreis zeigte nach links ins Halbdunkel zu einigen moosbewachsenen Mauerbrocken, in Form einiger letzter Weinbergmauern sowie einer inzwischen leider halb zerfallenen Sandsteinplastik neben dem Haupteingang sehen könnten. Das Gebäude selber, das sehe man hier, dozierte Kreis und deutete auf die Fassade, welche im Dämmerlicht allerdings nur schwer zu erkennen war, diese Fassade habe damals eine klassizistische Gestaltung erhalten, während es drinnen, wie sie gleich sehen würden, eine wertvolle Ausstattung, u. a. eine Gipskopie von Thorvaldsens Alexanderfries und den „persischen Salon“ ganz und gar im orientalischem Stil zu bestaunen gäbe. Auf diesen Salon, verehrte Freunde, rief Kreis emphatisch aus, wäre er besonders stolz, und er fühle sich jedes Mal sogleich wie in einer Erzählung aus der Feder seines hochverehrten Gastes. Hier verneigte sich Kreis aufs Neue vor dem Schriftsteller und deutete mit den Armen an, die letzten Stufen heraufzukommen und einzutreten.
    Doch nun, kommen Sie.
    Die Mays stiegen, ihrem Gastgeber folgend, Karl das Stöckchen mit dem Goldknauf zierlich aufsetzend, Klara ihre Schleppe und die Röcke raffend, die Sandsteintreppen hinauf, an der Tür gab man sich mit dem Architekten noch einmal die Hand. Sehr erfreut. Angenehm. Wir freuen uns wirklich sehr.
    Man trat ein. Ein helles, sehr hohes Treppenhaus empfing die Besucher. Es wurde über Kopfes Höhe von mehreren umlaufenden rechteckigen und ovalen Gipsabgüssen geziert. Diese Reliefs waren allesamt Kopien von Arbeiten Thorwaldsens. Kreis blieb auf der Hälfte der steil aufsteigenden Innentreppe stehen, wies mit ausgestreckter Hand auf eine dieser Plastiken und sagte, besonders wertvoll sei ihm jene Arbeit dort, welche im Maßstab 1 : 5 eine verkleinerte Gipskopie von Thorwaldsens „Alexanderzug“ darstelle, den er bekanntlich 1811 als „Huldigungsarbeit für Napoleon I.“ geschaffen habe. O ja, lieber Karl May, es sei unglaublich, aber so wehe einen hier auf Schritt und Tritt die Historie an.
    Kreis stieß ein heiseres Lachen aus. Kommen Sie, verehrter Freund, liebe Frau Klara, lassen Sie uns in meinen berühmten Persischen Salon gehen. Dort wartet man auf Sie.
    Als May dann, geleitet von seinem Gastgeber, in jenen Salon trat, prallte er zurück. Klara, die sich bei ihm untergehakt hatte, machte noch einen kleinen Schritt, beinahe wäre sie gestolpert. Sie sah ihren Mann überrascht von der Seite an. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, er starrte, staunte mit halboffenem Mund. Schon immer hatte er ein Faible für die Raumkunst des Orients gehabt und in seiner Villa in Radebeul hatte er mit viel Liebe und Aufwand und mit viel Geld Wert darauf gelegt, durch allerlei Möbel, Waffen, Teppiche, Palmen und verschiedene Accessoires seine Liebe zum Orientalischen auszudrücken, doch was er hier sah, übertraf seine Vorstellungen. Man erblickte feinste, vergoldete Säulen, die sich in typischen orientalischen Spitzbögen vereinten und kleine Raumteiler oder raffinierte Winkel schufen, welche mit kunstvoll bemalten Wandfliesen oder Holzschnitzarbeiten geschmückt waren, man sah schwere echte persische Teppiche, niedrige mit bunten seidenen Kissen drapierte Lederdivane, darüber Baldachine, mehrere höchst zierliche mit vergoldetem Mosaik ausgekleidete Springbrunnen, und man meinte im nächsten Moment kämen Diener in roten Turbanen und weißen Pluderhosen, Palastwachen mit krummen Türkensäbeln oder eine Schar halbverschleierter Bauchtänzerinnen herein, man glaubte Zimbel und Trommel und Flöte zu hören, aus einem geflochtenen Korb kringelte sich eine Schlange hervor und neben dem Eingang verkündete mit dünner Stimme in monotonem Singsang ein Eunuch die ablaufenden Minuten.
    Also, mein lieber Kreis, stotterte May, ich … ich muss schon sagen … Sagen Sie nichts, mein lieber Freund, entgegnete der Architekt, hier darf ich Ihnen die anderen Gäste unseres heutigen Abends vorstellen …
    Zuallererst natürlich meine Frau Hedwig. Hier haben Sie sie!
    May verneigte sich, küsste die ausgestreckte Hand der Hausherrin. Wie bin ich erfreut, gnädige Frau, sagte der Schriftsteller, in Ihnen sozusagen mein großes Vorbild Friedrich Gerstäcker zu begrüßen. Madame Kreis, eine junge stattliche Dame mit kupferfarbenem Haar, stand gelassen, sehr sicher vor dem alten Mann und seiner Gattin,

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