Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
einfachen Worte: Da staunt ihr, was!?
Zwiespältig angerührt, bewundernd standen die Gäste, der Maler Unger, der Graf von Hardenberg, die Mays, der Schauspieler Kumpfmüller, auch die Gastgeber vor dem Gemälde.
Da war nun das Bild, Ursache mancher Auseinandersetzung, Quelle schlimmster Kritik und höchsten Lobes. Still, gewalttätig, den Betrachter vereinnahmend stand es auf dem Podest, der Architekt Kreis daneben, den Arm um die Schulter des Malers Schneider gelegt, mit einem gutmütigen, aber auch einem triumphierenden Lächeln wies er darauf hin, was ihm mit seiner Überraschung gelungen. Was war geschehen? Was wollte der siegessichere Gastgeber, warum hatte er dieses Bild hier aufgestellt? Was bedeutete diese Demonstration?
Alle, auch die Mays, sahen fragend, von dem Bild zu Wilhelm Kreis, von ihm zu dem Maler Schneider. Man kam zu keinem Schluss. Sie standen lange vor dem Bild im kleinen Bilderkabinett des Architekten Kreis, in der großen prachtvollen Thorwaldsen-Villa, sie standen und schwiegen, warteten auf eine Erklärung.
Kreis und Schneider verständigten sich mit einem Blick, wer die Aufklärung geben sollte, als plötzlich an der Tür des Kabinetts Lärm entstand. Schritte, die rasch näher kamen, Stimmen. Die Tür wurde aufgerissen. Herein stürmten zwei Männer. Ein wenig atemlos, hastig, blieben sie neben der Tür stehen. Stießen die Köpfe vor, stierten. Überrascht waren auch sie beim Anblick des Schneider’schen Bildes. Dann machten beide, wie auf Verabredung, was ein wenig komisch aussah, eine Verbeugung. Sie wären aufgehalten worden, riefen sie fast gleichzeitig, sie müssten um Vergebung bitten; aber, wie sie feststellten, wären sie ja gerade noch im rechten Augenblick erschienen. Es waren dies aber der junge Maler Richard Müller, ein ehemaliger Atelierkollege Schneiders und, wie er, ein Freund Max Klingers, sowie der derzeitige königliche rumänische Konsul, Johannes Mühlberg, Inhaber des Mode- und Sport-Warenhauses Hermann Mühlberg, des sogenannten Mühlbergschen Hauses, Strumpfwaren, Groß- und Kleinhandlung, Kleiderwaren in der Dresdner Altstadt, Webergasse 32 sowie Scheffelstraße 27. Auch Mühlberg war, wenn auch ein wenig älter, indes ebenso ein Freund, vor allem aber ein Geldgeber und Förderer des Malers Schneider.
Kreis, der eben über die geheimnisvolle Gegenwart des Schneider-Bildes zu reden anfangen wollte, machte ein fröhliches Gesicht, schien über die Störung keineswegs erstaunt, war wie immer Herr der Lage, rief:
Je nun, Herrschaften, da wären wir ja alle beisammen, denn wenn der Herr Konsul anwesend ist, dann sind wir gewiss vollzählig, auch den Richi (er nannte den Maler Müller ohne alle Umschweife sofort bei diesem Kürzel) begrüße ich und gratuliere ihm sogleich in alle Öffentlichkeit zur Ernennung als Akademie-Professor. Auf einen Professor mehr oder weniger kommt es uns heute Abend gar nicht an!
Alle lachten. Nur Schneider, der neben seinem Bild noch immer wie unbeweglich stand, verzog keine Miene. Kreis, konzentriert, ernst, mit einem feinen Lächeln wandte sich jetzt dem Bild sowie dem beiseite stehenden Maler Schneider zu.
Meine Herrschaften, begann er, dass Sie alle heute hier vor diesem Bild stehen, verdanken Sie mehreren Leuten. Zuallererst unserem verehrten Gesamtminister Georg von Metzsch, dann natürlich unserem lieben Schneider und schließlich, bei aller Bescheidenheit, mir. Warum der Metzsch? werden Sie fragen, was hat dieser Mensch, dessen Kunstferne bekannt ist, damit zu tun? Nun, liebe Freunde, Metzsch wollte, weil man ihn von der politischen Gefährlichkeit dieses wunderbaren Bildes überzeugt hatte, es noch vor dem Ende der Kunstausstellung aus den Ausstellungsräumen entfernen lassen oder es zumindest umhängen, in irgendeinen Winkel. Auf bestimmten Wegen, nein, nicht durch eine Brieftaube, erfuhr ich davon, ich beriet mich insgeheim mit meinem Freunde Schneider, und wir beschlossen eine ungewöhnliche Aktion – in aller Stille, versteht sich.
Wir tauschten das Bild um!
Unser Freund Schneider fertigte eine nicht zu unterscheidende Kopie, wir redeten der Ausstellungsleitung von einem Schaden, der nur in der Werkstatt des Meisters korrigiert werden könne, und es war tatsächlich ein kleiner Schaden aufgetreten, ein unbedeutender Riss am rechten Bildunterrand, und dann wechselten wir die Bilder aus. Das Original, nun vor jedem Zugriff und öffentlicher Schande bewahrt, wurde zu mir gebracht.
Hier, meine Lieben, sehen Sie
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