Die Gejagte
Blitz, den sie sogar durch ihre geschlossenen Lider sah.
Summer!, dachte sie und öffnete die Augen. Aber der Spiegel vor ihr zeigte nur ihr eigenes bleiches, ängstliches Gesicht.
Vielleicht war der Blitz von der Seite gekommen. Aus welcher Richtung? Jenny stand auf und schaute nach links und rechts, geblendet von den vielfachen Reflektionen. Sie wusste nicht einmal, in welche Richtung Dee gegangen war.
Sie ging nach rechts und bahnte sich einen Weg zwischen den Zickzackspiegeln hindurch.
Als sie um eine weitere Ecke bog, sah sie Dutzende von Reflektionen einer runden blauen Glühbirne.
Sie schnappte nach Luft. Das blaue Licht war eingeschaltet, der rote Knopf darunter gedrückt. Daneben befand sich ein dunkles Rechteck – eine offene Tür.
Ungeachtet der Gefahr steckte Jenny den Kopf durch die Tür. Auf der anderen Seite konnte sie nichts als Dunkelheit sehen. Das Licht aus dem Flur schien nicht in den Raum hineinzudringen.
Waren Audrey und Michael hier reingegangen? Dee? Konnte Summer …
Mit einem Klicken sprang der Knopf heraus, und die Tür begann, sich zu schließen. Jenny hatte eine Sekunde Zeit, um sich zu entscheiden: vor oder zurück. Sie sprang vorwärts.
Die Tür glitt lautlos hinter ihr zu. Sie schaute sich mit großen Augen um und versuchte, im Dunkeln etwas zu erkennen. Umrisse wie von einer Regalreihe, etwas auf einem Dreifuß, eine hohe Lampe. Dann wusste sie, wo sie war.
Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie eine riesige Fotografie, die eine ganze Wand einnahm. Sie zeigte Cafeteria-Tische, die zu einer beeindruckenden Pyramide aufgetürmt waren, deren verschiedene Ebenen von jeweils einem Abfalleimer geziert wurden – ein wahres Konstruktionswunder. Jenny erinnerte sich nur zu gut an dieses Bild. Sie, Tom und Dee hatten eine ganze Nacht damit verbracht, diese Tische aufzustapeln,
um Zachs vehementen Forderungen nach »einer weiteren Aufnahme« nachzukommen. Eins ihrer vielen Vista-Grande-Highschool-Abenteuer.
Es war die Garage ihres Cousins Zach, die er zu einem Atelier umfunktioniert hatte. Es fühlte sich beinahe wie zu Hause an – aber es war niemand zu sehen.
Die Dunkelkammer, dachte Jenny und folgte dem besonderen L-förmigen Flur, den Zach angelegt hatte – eine Lichtfalle, wie er sagte –, zu dem kleinen Raum innerhalb der Garage. Sie schob den Vorhang zum Eingang beiseite.
Das bernsteinfarbene Sicherheitslicht beleuchtete den Rücken einer einzigen Gestalt, beleuchtete ein Flanellhemd und einen lässigen Pferdeschwanz.
»Zach!« Jenny lief zu ihm, aber er drehte sich nicht um. »Zach, ich bin es, Jenny. Zach – was tust du da?«
Er rüttelte sanft an einer Wanne voller Chemikalien, in denen ein Foto schwamm. Sein Körper fühlte sich steif und widerspenstig an, aber Jenny drehte ihn mit Nachdruck zu sich um. Selbst in diesem Licht konnte sie erkennen, dass er aussah wie – in Trance. Es war der gleiche Gesichtsausdruck, den sie zum ersten Mal in ihrem Wohnzimmer gesehen hatte, als er darauf bestand, eine weitere Spielkarte zu ziehen, und dann im Salon, als die anderen völlig außer sich waren.
»Oh, Zach, was ist los mit dir?«, fragte sie und schlang die Arme um ihn. Sie hatte sich die ganze Nacht um ihn gesorgt; sie hatte vorgehabt, ihm zu helfen. Aber jetzt hatte sie keine Kraft mehr. Sie brauchte selbst verzweifelt Hilfe.
Er schien ihre Anwesenheit kaum wahrzunehmen. Er schob sie beiseite und machte sich wieder daran, an der Wanne zu rütteln.
»Zachary, ist Dee hier gewesen? Hast du Audrey oder Michael gesehen?«
Seine Stimme klang langsam und schleppend, aber sachlich.
»Ich habe niemanden gesehen. Ich hab da draußen gesessen. Wo die Spiegel sind. Dann habe ich ein Blitzlicht gesehen. Als ich der Sache dann auf den Grund gehen wollte, hab ich eine Tür gefunden. Ich habe den Knopf gedrückt und bin hineingegangen.«
Ein Blitzlicht – natürlich, so würde Zach die Lichtblitze im Flur deuten. »Aber was tust du da?«, hakte Jenny nach.
»Es war alles für mich vorbereitet. Das Foto lag bereits im Entwickler.« Irgendwo klingelte ein Kurzzeitwecker und er zog sich von Jenny zurück. »Ich muss es jetzt ausspülen.«
Jenny blinzelte gequält, als er das weiße Licht einschaltete. Sie beobachtete, wie er mit vorsichtigen, geschickten Fingern das Foto ausspülte, nass aufhängte und dann zurücktrat, um das Ganze stirnrunzelnd zu betrachten.
»Zach, bitte. Du musst mir zuhören.« Langsam fiel die Benommenheit von
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