Die Gejagte
ihr ab, in die sie wegen der Ereignisse um Summer versunken war. Zach war ihr Blutsverwandter und er war in Schwierigkeiten. In diesem grellen Licht konnte sie sehen, wie bleich sein schmales Gesicht war. Und sie sah den starren Ausdruck in seinen klaren grauen Augen. »Begreifst du nicht, dass dies dein Albtraum ist?
Wir dürfen keine Zeit verschwenden – wir müssen eine Tür finden, um hinauszukommen. Zach !«
Er schob sie wieder von sich. »Ich muss diese Sache zu Ende bringen. Ich muss …«
Er brach zusammen. Sie hatte kaum Zeit, ihn aufzufangen, aber es gelang ihr doch, und diesmal stieß er sie nicht weg. Er klammerte sich an sie wie ein verängstigtes Kind.
»Jenny … entschuldige …«
»Ist schon gut.« Sie hielt ihn fest und wiegte ihn beinahe in den Armen. »Es ist okay, ich bin hier. Dafür sind Cousinen da.«
Nach einer Minute versuchte er, sich aufzurichten, aber sie hielt ihn immer noch fest und ermutigte ihn dazu, ihre Umarmung zu erwidern. Sie brauchte genauso sehr Trost wie er und Zach war immer für sie da gewesen. Bevor ihre Familien nach Kalifornien gezogen waren, hatten sie und Zach in zwei Häusern nebeneinander gelebt und im Kirschgarten Indianer gespielt. Das war in jenen Tagen gewesen, bevor Zach beschlossen hatte, dass er Fotos lieber mochte als Menschen; in jenen Tagen, als Zachs graue Augen noch warm gewesen waren und nicht kühl wie der Winter.
Auch die Gedanken ihres Cousins wandelten offensichtlich auf den Spuren der Vergangenheit. »Genauso wie damals, als wir Kinder waren«, sagte er mit etwas, das wahrscheinlich ein Lachen sein sollte.
»Als du am ganzen Körper zerkratzt warst, weil du auf Bäume geklettert bist, und wir dich mit dem Schlauch abgespritzt haben, damit Tante Lil nicht böse wurde«, sagte
Jenny. Sie lachte ebenfalls, gedämpft an Zachs Schulter. Es war beinahe ein Weinen. »Oh, Zach, ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe.«
»Ich auch«, seufzte er. »Ich habe mich ziemlich seltsam gefühlt.«
»Es war alles so schrecklich«, sagte Jenny, und wieder zitterte ihre Stimme heftig. »Ich hatte solche Angst – und jetzt …«
Sie brachte es nicht über sich, Summer zu erwähnen. Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.
»Jetzt ist es okay«, erwiderte er. »Wir sind jetzt zusammen. Wir werden dafür sorgen, dass alles wieder gut wird.«
Aber diesmal reichen ein Wasserschlauch und ein paar Pflaster leider nicht aus, dachte Jenny, ohne es auszusprechen. Es war leichter, Zach einfach festzuhalten. Fester und fester. Trost ohne Worte. Er strich ihr übers Haar, und es fühlte sich gut an, besänftigend. Sie hatte das Gefühl, als flösse Kraft aus seinem Körper in ihren.
Und noch etwas anderes. Eine Wärme, die sie überraschte. Zach war normalerweise so kühl. Jetzt hielt er sie fest und liebkoste sie, beinahe so, als sei sie ein Kleinkind, das beruhigt werden musste.
Oder – als sei er nicht ihr Cousin, sondern ihr fester Freund.
Sie schob den Gedanken beiseite. Zach war einfach nett. Er wollte helfen – und er half tatsächlich. Sie fühlte sich besser, indem sie sein Mitgefühl spürte, seine Zuneigung. Seine – Zärtlichkeit.
Sie lehnte sich an ihn und ließ ihn ihr Gewicht tragen. Sie fühlte sich sicher. Behütet. Beschützt.
Als er ihren Nacken küsste, geschah es so sanft, dass es an ihrem sicheren Gefühl nichts änderte. Zach war nett. Sie liebte ihn, und sie war glücklich, dass er sie auch liebte.
Als er sie erneut küsste, durchlief sie ein unerwarteter Schauder.
Also – das sollte sie aber nicht empfinden. Nicht bei Zach. Er sollte nicht – er sollte wirklich nicht …
Aber andererseits wollte sie sich nicht von ihm lösen oder den Augenblick verderben.
Seine Lippen waren warm auf ihrem Hals. Ein schockierendes Gefühl von Süße überlief Jenny, und diesmal war es zu stark, um es zu ignorieren. Sie wusste, dass sie so nicht empfinden durfte. Sie hob die Hände, um ihn wegzudrängen.
»Zach«, flüsterte sie. »Ich denke, wir sind beide – ein wenig aufgeregt. Wir sind nicht wir selbst.«
»Ich weiß«, antwortete Zach, als schmerze es ihn. »Es tut mir leid – ich …« Er richtete sich auf und lockerte seine Umarmung ein wenig, aber dann küsste er sie aufs Haar. Sie spürte die Bewegungen seiner Lippen, seinen warmen Atem.
»Zachary«, sagte sie. »Es ist falsch. Wir sind verwandt .« Das Problem war, dass ihre Worte zwar stark klangen, ihre Stimme jedoch nicht. Sie konnte kaum atmen. Und sie
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