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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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versuchen, mich dazu zu zwingen.«
    »Das werde ich«, versicherte er ihr.
    Es begann ganz harmlos. Jenny hörte ein Summen und eine Biene landete auf ihrem Ärmel.
    Eine ganz gewöhnliche Biene von staubigem Gold. Mit ihren kleinen Füßen klammerte sie sich an Jennys gewebte Leinenbluse. Aber dann hörte sie ein weiteres Summen und eine zweite Biene landete auf ihrem anderen Ärmel.
    Noch ein Summen und noch eins.
    Jenny hasste Bienen. Sie war immer diejenige, die bei einem Picknick kreischte: »Ist da eine in meinem Haar?« Sie wollte diese Bienen wegscheuchen, aber sie hatte Angst, sie zu provozieren.
    Sie sah Julian an. Sah in seine wilden, exotischen blauen Augen, sah seine ebenmäßigen Züge. In Zachs langweiligen Klamotten erschien er so überirdisch schön, dass es beängstigend war.
    Noch ein Summen, und eine Biene war in ihrem Haar, ihre Flügel bewegten sich wirbelnd, als sie sich verhedderte und hängen blieb. Sie konnte sie am Rand ihres Gesichtsfelds sehen.

    Julian lächelte.
    Da hörte Jenny ein tieferes Geräusch, ein Dröhnen, nach dem sie automatisch Ausschau hielt. Ein Bienenschwarm sammelte sich auf einem der Dachsparren der Garage und baumelte schließlich herunter wie eine riesige, hin und her schwingende Frucht.
    Jenny machte einen Schritt zurück und hörte ein warnendes Summmmm aus ihrem Haar. Der Ball aus Bienen bewegte sich, brach auf, wurde zu einer dunklen Wolke.
    Und kam auf sie zu.
    Jenny sah einmal mehr zu Julian hinüber, dann begannen die Bienen, über sie herzufallen wie ein Hagelschauer. Sie klammerten sich an ihre Arme, ihre Schultern, ihre Brust. Sie musste die Arme von sich strecken, um die Insekten nicht an ihrem Körper zu zerquetschen. Ansonsten würden sie stechen, das wusste sie.
    Und dann war es ein einziger Albtraum, grauenvoll unwirklich.
    Die Bienen umhüllten sie wie eine Decke. Sie waren schwer. Zu schwer. Jenny taumelte. Sie schloss die Augen, weil sie aus ihrem Haar auf ihr Gesicht krochen. Die Bienen überfluteten sie, Welle um Welle. Jetzt klammerten sie sich aufeinander fest, weil auf Jennys Körper fast kein Platz mehr war. Vielleicht noch ein Hauch von ihren Fingerspitzen, ihrem Gesicht. Sie spürte die Füße der Bienen auf ihren Wangen und wollte schreien, aber sie konnte nicht, sie konnte nicht schreien, denn wenn sie es tat … wenn sie es tat …

    Sie würden in ihren Mund kriechen. Und dann würde sie den Verstand verlieren. Aber durch die Nase bekam sie nicht genug Luft. Ihre Brust hob und senkte sich heftig, das Gewicht der Bienen erdrückte sie fast. Sie würde den Mund öffnen müssen.
    Sie weinte stumm und versuchte, sich nicht zu bewegen, die Bienen nicht mehr zu bewegen, als unbedingt notwendig. Julians Stimme erreichte sie.
    »Sag nur das Wort, Jenny.«
    Sie konnte nur schwach den Kopf schütteln. Das absolute Minimum einer Bewegung. Sie schluchzte immer noch voller Angst, doch ohne einen Laut von sich zu geben, aber sie würde nicht – sie würde niemals  – nachgeben.
    Du kannst mit mir machen, was immer du willst, dachte sie. Ihre Augen waren von Bienen bedeckt, alles um sie herum war dunkel, und sie versuchte, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Aber es war wie ein dünner Faden, der ihr durch die Finger glitt. Sie griff danach und spürte, wie er ihr weggeschnappt wurde.
    Sie spürte die Ohnmacht. Aber sie würde nicht nachgeben.
    Wenn ich auf dem Boden aufschlage und sie zerquetsche, werden sie durchdrehen. Sie werden mich töten, dachte sie.
    Aber das Wort, um dem ein Ende zu machen, kam nicht über ihre Lippen.
    Sie spürte, wie sie fiel.

In grauer Düsternis schwebend, hörte sie eine unsichtbare Uhr drei schlagen.
    Wach auf, dachte sie. Aber sie wollte nicht aufwachen, wollte noch für eine Weile schweben.
    Nein, wach auf, dachte sie. Das ist der Wecker. Du musst zur Schule gehen … oder irgendwas. Du musst Zach suchen.
    Zach.
    Sie war wach.
    Sie lag auf dem kalten Boden in der Garage ihres Cousins, frierend, steif, aber frei von Bienen. Sie betrachtete ihre Hände und ihre nackten Knöchel. Keine Stiche. Julian hatte es nicht geschehen lassen.
    Dafür saß sie jetzt in einer Garage ohne Tür fest. In Zachs Lichtfalle befand sich nur der Vorhang mit der Dunkelkammer dahinter. Alle anderen Türen – das Tor für die Autos und die Tür, die üblicherweise ins Haus führte – fehlten einfach.
    Sie hatte keine Ahnung, was sie als Nächstes tun sollte. Es war kurz nach drei Uhr morgens und sie war müde.
    Jenny betrachtete

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