Die Gelbe Maske Kommissar Morry
immer die alte Leier. Ich verdiene nicht genug, stimmt es? Wir können uns ja nicht mal eine Klimaanlage leisten!"
„Das habe ich nicht gesagt", meinte Claire stirnrunzelnd. „Aber ich will weg von hier!"
„Warum?"
„Weil ich hier vor Langeweile sterbe!"
„Ich kann jetzt nicht weg", sagte Derek brüsk.
„Dann liebst du mich nicht!"
Er schaute sie an. „Versteh' mich doch. Ich kann gerade jetzt nicht einfach davonlaufen. Das ist, als würde ich kneifen! In Apron Town ist ein Mord verübt worden, vielleicht sogar zwei. Man erwartet von mir, daß ich den Täter finde. Und genau das muß ich schaffen."
„Ist dir die Befriedigung deines beruflichen Ehrgeizes teurer als das Glück deiner Frau?"
„Sei nicht kindisch, Claire. Wir sind ein Ehepaar. Einer muß für den anderen da sein. Dein Glück ist so wichtig wie meines. Du kannst nicht verlangen, daß ich dir alles opfere, um eine deiner Launen zu befriedigen. Das wäre Wahnsinn!"
Claire blickte ihn an. „Vielleicht wirst du diese Worte eines Tages bereuen", sagte sie ruhig.
Derek runzelte die Augenbrauen. „Wie meinst du das?"
Claire legte eine Decke auf den Tisch. „Setz' dich jetzt. Wir wollen essen."
„Ich möchte erst wissen, was du eigentlich willst!"
„Habe ich das nicht klar genug zum Ausdruck gebracht? Ich will weg von hier. Nicht meinetwegen, sondern unseretwegen!"
„Ich begreife das alles nicht."
„Das habe ich befürchtet", seufzte Claire und legte die Bestecke und Papierservietten auf den Tisch.
Derek verkniff die Augen. „Ist es wegen Sutton?" fragte er.
„Der geht dir wohl nicht aus dem Kopf, was?"
„Nein, ich denke schon den ganzen Abend an ihn. Er ist es, den ich noch zu besuchen beabsichtige."
„Was denn, heute Abend?"
„Paßt dir das nicht?"
„Du kannst ihn doch nicht nach zehn Uhr noch besuchen wollen! Das verstößt gegen jede Sitte."
„Hier geht es nicht um die Sitte, sondern um einen Mord, Claire."
„Du bildest dir doch nicht ein, daß Sutton etwas damit zu tun haben könnte?"
„Es gibt ein paar Fragen, die nur er mir beantworten kann."
„Du haßt ihn, nicht wahr?"
„Ich fühle, daß er hinter dir her ist. Du kannst nicht erwarten, daß ich ihn unter diesen Umständen schätze."
„Du bist verrückt!“
„Bin ich das wirklich?" fragte Derek lauernd.
Claire blickte ihn wütend an. „Ich will dir mal was sagen, Derek — und halte dich bitte fest, während ich's tue: hier in Apron Town gibt es eine ganze Menge Männer, die hinter mir her sind. Die meisten von Ihnen betrachtest du als deine guten Freunde. Was hältst du davon? Diese Gentlemen würden dich kalt lächelnd betrügen, wenn ich ihnen dazu nur die Gelegenheit böte. Aber zufällig wird das nie geschehen. Ich liebe das Leben, aber für Abenteuer dieser Art habe ich nichts übrig. Bist du nun beruhigt?"
„Mit Sutton ist es anders."
„Wie anders?"
„Er ist reich und selbstbewußt, er sieht sogar gut aus."
„Du bist ein Narr! Alle diese Dinge zählen nicht. Aber Apron Town ist eine langweilige kleine Stadt. Ich jedenfalls empfinde sie so. Und wenn eine Frau anfängt, sich zu langweilen, kommt sie auf dumme Gedanken. Dann könnte ihr sogar ein Bryan Sutton gefallen. Begreifst du jetzt, warum ich weg will von hier?"
Derek nickte. Er sah müde aus. Er spürte, daß er trotz allem keinen Grund hatte, Claire böse zu sein, aber er war einfach zu abgespannt, zu matt, um die Dinge auf die leichte Schulter nehmen zu können. Vielleicht lag es auch daran, daß seine männliche Eitelkeit verletzt worden war. Sicherlich hatte er erwartet, daß Claire, seine Frau, in dieser für Apron Town und seiner beruflichen Karriere so wichtigen Situation eisern zu ihm halten würde. Statt dessen wollte sie gleichsam die Flucht ergreifen.
„Du bist jung und hübsch", erklärte er ihr. „Bewußt oder unbewußt hast du eine lockende, leicht aggressive Art, die die Männer herausfordert. Ich mache dir deshalb keine Vorwürfe. Du bist meine Frau und ich liebe dich. Weil das so ist, muß ich dir sagen, daß es in jeder Stadt, in die wir ziehen könnten, einen Mann vom Schlage Bryan Suttons geben wird. Solange du jung und hübsch bist, solange du du bist, werden sich überall ein paar skrupellose Männer finden, die dich zu erobern versuchen . . . ohne Rücksicht darauf, daß du verheiratet bist. Das sind die Prüfungen, die es in fast jeder jungen Ehe gibt. Damit mußt du fertig werden. Du mußt zeigen, daß dir dein Ehemann mehr bedeutet als ein
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