Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
Vom Netzwerk:
machte, ihre Geschichten zu konstruieren. Davon, welchen Raum das Buch in ihrem Leben einnahm. In Gedanken war sie immer bei ihren Figuren, und es fiel ihr schwer, Interesse für das wahre Leben aufzubringen. Sie spielte darin eine Statistenrolle, antwortete Ja, antwortete Nein, doch
sie wäre nicht in der Lage gewesen zu wiederholen, was man gerade zu ihr gesagt oder sie gefragt hatte. Zerstreut betrachtete sie das Treiben von Hortense, Zoé, Max und Madame Barthillet, während sie im Geiste an einem Satz feilte oder eine neue Wendung entwickelte. Hatte sie nicht sogar Lucas Einladung mit dem Hintergedanken angenommen, dass sie ihren eigenen emotionalen Aufruhr als Inspiration für die Schilderung von Florines Gefühlswirren nutzen könnte, einen Aspekt, den sie bislang ein wenig vernachlässigt hatte? Florine war eine Burgherrin, eine fromme, mutige perpulchra , aber nichtsdestoweniger eine Frau. Früher oder später muss sie sich in einen ihrer fünf Ehemänner verlieben, dachte Joséphine, während sie unruhig vor dem Kino auf und ab ging, sie muss sich so rettungslos verlieben, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, dass ihr die Luft zum Atmen wegbleibt … Sie kann sich nicht mit der Regel des heiligen Benedikt und ihrem göttlichen Gemahl begnügen. Die fleischliche Begierde muss sie im tiefsten Inneren quälen. Aber wie verhält man sich, wenn man so verliebt ist, dass man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann? Sie ahnte es, wenn sie beobachtete, wie sie selbst sich in Gegenwart von Luca verhielt.
    Sie nahm ein kleines Notizbuch aus der Tasche, um ihren Einfall aufzuschreiben. Ohne dieses Notizbuch und einen Stift ging sie keinen Schritt mehr.
    Sie hatte das Büchlein gerade wieder zugeklappt, als sie den Kopf hob und Luca bemerkte, der sich über sie beugte. Er sah sie mit jener ungezwungenen Sicherheit, jenem von Zuneigung geprägten Gleichmut an, die ihre Beziehung kennzeichneten. Sie zuckte zusammen, der Inhalt ihrer Handtasche ergoss sich über den Boden, und sie gingen in die Hocke, um alles wieder aufzusammeln.
    »Jetzt sind Sie wieder so, wie ich Sie kenne«, sagte er verschmitzt.
    »Ich war in Gedanken bei meinem Buch …«
    »Sie schreiben ein Buch? Das haben Sie mir bisher verschwiegen!«
    »Ähh … Nein … ich meine … meine Habilitation und ich …«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie arbeiten viel. Daran ist nichts Verwerfliches.«
    Sie reihten sich in die Schlange vor dem Kartenschalter ein. Als sie schließlich vor der Kasse standen, zückte Joséphine ihr Portemonnaie,
aber Luca winkte ab. Er lud sie ein. Sie wurde rot und drehte den Kopf zur Seite.
    »Möchten Sie lieber hinten, in der Mitte oder vorne sitzen?«
    »Das ist mir ganz egal …«
    »Dann eher weiter vorne? Ich mag es, wenn ich nichts mehr sehe außer der Leinwand …«
    Er zog seinen Dufflecoat aus und legte ihn auf den leeren Sitz neben Joséphine. Gerührt betrachtete sie das zusammengefaltete Kleidungsstück neben sich und verspürte den Drang, es zu berühren, daran zu riechen, Lucas Wärme darin zu spüren, ihre Hände tief in die verlassen herunterhängenden Ärmel zu stecken.
    »In dem Film geht es um Wasser …«
    »Um Tränen?«
    »Nein, um einen Staudamm … Sie dürfen weinen, wenn Ihnen wirklich danach ist. Aber keine Krokodilstränen, nur echte, tief empfundene Tränen!«
    Er lächelte wieder dieses Lächeln, das aus unermesslicher Einsamkeit aufzusteigen schien. Wenn sie jeden Tag dieses Lächeln sehen dürfte, dachte sie, und wäre es auch nur für ein paar Minuten, dann wäre sie die glücklichste Frau der Welt. Alles an diesem Mann war einzigartig und kostbar. Nichts war mechanisch oder vorgetäuscht. Sie hatte noch nicht den Mut gefunden, ihn auf seine Arbeit als Model anzusprechen, sondern es immer wieder auf später verschoben.
    Das Licht im Saal ging aus, und der Film fing an. Vom ersten Moment an war das Wasser da, gelbes, mächtiges, schlammiges Wasser, das sie an die Krokodiltümpel denken ließ. Sie sah herabhängende Lianen, in der Sonne verdorrte Sträucher, und plötzlich tauchte Antoine vor ihr auf. Ohne dass sie ihn gerufen hätte. Sie glaubte, seine Stimme zu hören, sah wieder seinen gebeugten Rücken vor sich, als er sich in ihrer Küche hingesetzt hatte, sah seine Hand, die nach ihrer griff, hörte seine Einladung, ihn und die Mädchen ins Restaurant zu begleiten. Sie zwinkerte mehrmals, um ihn zu verscheuchen.
    Der Film war so schön, dass sich Joséphine

Weitere Kostenlose Bücher