Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Portugiese …«
»Der wird sich nie scheiden lassen! Portugiesen sind sehr gläubig.«
Warum sage ich das, es ist mir doch vollkommen egal, ob er sich scheiden lässt oder nicht.
»Ich bin nicht scharf drauf, noch mal zu heiraten. Ich will nur ’ne Wohnung, und dann sehen wir weiter!«
»Ach so … na dann …«
»Es sind nicht alle Leute so romantisch wie Sie!«
Nachdem sie zusammen Kaffee getrunken hatten, waren sie wie selbstverständlich zur Bushaltestelle gegangen, und wie selbstverständlich war sie mit ihm zusammen eingestiegen. Beim Aussteigen hatte er sich verabschiedet und mit einem angedeuteten Winken »bis
morgen« hinzugefügt. Sie hatte an den langen Heimweg gedacht. An die erneuten Auseinandersetzungen mit den Mädchen, an das Abendessen, das sie kochen musste … Madame Barthillet konnte nicht kochen. Sie kaufte nur Tütensuppen, Dosengemüse, eingeschweißte Garnelen oder rechteckigen Fisch. Sie wunderte sich, wenn Joséphine das Abendessen zubereitete, sah ihr beim Kochen zu und lackierte sich dabei die Fingernägel. Zoé griff nach dem Pinselchen, Joséphine nahm es ihr aus der Hand. »Warum denn nicht? Das ist doch schön!«
»Nein, nicht in deinem Alter!«
»Aber ich bin jetzt groß!«
»Nein heißt nein!«
»Sie sollten sie lassen, Madame Joséphine, das gefällt den Jungs.«
»Zoé ist noch nicht alt genug, um den Jungs zu gefallen!«
»Das behaupten Sie, aber kleine Mädchen machen sich gern hübsch! Und das geht schneller, als man denkt. In ihrem Alter hatte ich schon den zweiten Freund…«
»Maman sagt immer, dass ich noch zu klein bin …«, jammerte Zoé und starrte neidisch auf Madame Barthillets rote Fingernägel.
»Sehen Sie nur, Madame Joséphine, sehen Sie! Da kommen die Queen und Prinz Philip! Sieht er nicht gut aus! So eine starke, muskulöse Brust! Ein richtiger Märchenprinz!«
»Ein bisschen alt, finden Sie nicht«, erwiderte Joséphine gereizt.
Königin Elisabeth trug ein Kleid aus türkisfarbener Seide und eine schwarze Handtasche am Arm. Ihr folgte Prinz Philip im Frack.
»Aber … aber …«, keuchte Joséphine. »Da, hinter der Königin, drei Schritte hinter ihr, im Schatten, da, seht doch nur, seht!«
Sie richtete sich auf, deutete mit dem Zeigefinger auf den Bildschirm und wiederholte immer wieder: »Seht doch nur, seht!« Als niemand reagierte, stand sie auf, ging zum Fernseher und tippte mit dem Finger auf eine junge Frau, die mit gesenktem Kopf in einem rosa Kleid mit langer Schleppe hinter der Königin herging. Ihre wie Tropfen in der Sonne funkelnden Ohrringe stachen aus der Menge heraus.
»Habt ihr das gesehen?«
»Nein«, antworteten die anderen wie aus einem Mund.
»Da, jetzt schaut doch endlich hin, da!«
Joséphine hämmerte mit dem Finger auf den Bildschirm. »Da, die
Frau mit den kurzen Haaren!« Die junge Frau hielt beim Gehen ihre Schleppe hoch. Obwohl sie sich offensichtlich bemühte, nicht aufzufallen, blieb sie immer dicht hinter der Königin.
»Ja und … Die Queen hat ’ne schwarze Handtasche. Sieht nicht schön aus zu dem türkisen Kleid.«
»Nein, nicht die Queen. Da, neben ihr! Gary«, schrie Joséphine in Richtung von Garys Zimmer. »Gary, komm her!«
Die junge Frau tauchte erneut auf dem Bildschirm auf, halb verborgen hinter der Königin, die hinter ihrer Brille hervorlächelte.
»Da! Direkt hinter der Königin!«
Gary kam ins Wohnzimmer.
»Was ist denn los? Was brüllt ihr so?«
»Deine Mutter! Bei den Windsors! Neben der Königin!«, kreischte Joséphine.
Gary fuhr sich mit der Hand durchs Haar, stellte sich vor den Fernseher, brummte, »ach ja, M’man …«, und schlurfte zurück in sein Zimmer.
»Was macht sie denn da?«, schrie Joséphine hinter ihm her. »Gehört ihr zur königlichen Familie?«
Sie bekam keine Antwort.
»Madame Shirley!«, stieß Christine Barthillet hervor, die sich gerade eine weitere Erdbeere in den Mund stecken wollte und mitten in der Bewegung innehielt. »Sie ham recht! Was zum Teufel macht sie da?«
»Das wüsste ich auch gern …«, entgegnete Joséphine und folgte mit dem Blick der groß gewachsenen rosafarbenen Gestalt, die nun von der Schar der Gäste verschluckt wurde.
»Also so was!«, kicherte Christine Barthillet. »Das is ja mal ’n starkes Stück. Stark wie Roquefort.«
»Eher wie englischer Senf«, ergänzte Zoé schlagfertig.
»Das muss sie mir erklären«, murmelte Joséphine.
Als sie Shirley das nächste Mal unter den Gästen erspähte, stand sie wieder
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