Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
neuen Aktivitäten zuwende …
Scheiden lassen! Die Worte trafen Joséphine wie ein Schlag. Scheiden lassen … Daran hatte sie nie gedacht. »Aber du bist doch mein Mann«, sagte sie laut gegen den Bildschirm. »Wir haben uns geschworen zusammenzuhalten, in guten wie in schlechten Tagen.«
Ich telefoniere regelmäßig mit den Mädchen, und es scheint ihnen sehr gut zu gehen. Das freut mich. Ich hoffe, dass die Barthillets endlich fort sind und Du Dich in Zukunft nicht mehr wie ein Bernhardiner aufführst und wildfremde Menschen rettest! Solche Leute sind die Parasiten unserer Gesellschaft. Und ein sehr schlechtes Vorbild für unsere Töchter …
Für wen hält der sich eigentlich? Bloß weil seine Freundin mit Mitessern und Make-up ein Vermögen verdient, glaubt er, mir vorschreiben zu können, was ich zu tun und zu lassen habe!
Wir müssen auch über die Sommerferien reden. Ich weiß noch nicht, wie ich das zeitlich hinbekomme. Ich glaube nicht, dass ich von den Krokodilen weg kann. Bis dahin sollten die ersten Jungen geschlüpft sein. Sag mir, was Du geplant hast, dann richte ich mich danach. Ich umarme Dich, Antoine.
PS: Da ich jetzt endlich Geld verdiene, kann ich auch meinen Kredit zurückzahlen. Ich rufe Faugeron an. Der Kerl muss sich mir gegenüber einen anderen Ton angewöhnen!
PS: Gestern Abend habe ich beim Fernsehen entdeckt, dass ich hier auch »Questions pour un champion« sehen kann! Die Sendung wird einen Tag später ausgestrahlt! Ist das nicht toll?
Joséphine zuckte mit den Schultern. Antoines Mail hatte in ihr derart widersprüchliche Gefühle geweckt, dass sie noch eine Weile wie benommen vor dem Bildschirm sitzen blieb.
Dann schaute sie auf die Uhr. Bald würde Iris die Kinder nach Hause bringen. Madame Barthillet würde von ihrem Rendezvous mit Alberto zurückkommen. Hortense von ihrem Arbeitstag bei Chef. Schluss mit der Ruhe! Sie würde morgen weiterschreiben. Sie konnte es kaum erwarten.
Sie klappte den Laptop zu und stand auf, um das Abendessen zu kochen. Das Telefon klingelte. Es war Hortense.
»Ich komme heute etwas später nach Hause. Es gibt einen kleinen Umtrunk im Lager …«
»Was nennst du denn ›etwas später‹?«
»Ich weiß nicht … Wartet mit dem Essen nicht auf mich. Ich habe danach sicher keinen Hunger mehr.«
»Wie kommst du nach Hause, Hortense?«
»Jemand bringt mich zurück.«
»Und wer ist dieser ›jemand‹?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich finde schon jemanden! Bitte, liebste Maman … Verdirb mir doch nicht den Spaß! Die Arbeit gefällt mir so gut, und alle scheinen von mir begeistert zu sein. Ich werde ständig gelobt.«
Joséphine schaute auf ihre Armbanduhr. Es war sieben Uhr abends.
»Einverstanden, aber du bist spätestens um …«
Sie zögerte. Es war das erste Mal, dass ihre Tochter sie bat, länger fortbleiben zu dürfen. Sie wusste nicht, welche Uhrzeit angemessen war.
»Zehn Uhr? Einverstanden, Maman, um zehn bin ich zu Hause, mach dir keine Sorgen … Siehst du, wie praktisch das wäre, wenn ich ein Handy hätte? Dann könntest du mich jederzeit erreichen und müsstest dir keine Gedanken machen. Aber gut …«
Die Freude war aus ihrer Stimme gewichen, und Joséphine sah ihr schmollendes Gesicht vor sich. Hortense legte auf. Joséphine blieb verdattert sitzen. Sollte sie Chef anrufen und ihn bitten, Hortense nach der Feier in ein Taxi zu setzen? Hortense wäre außer sich, wenn sie hinter ihrem Rücken den Aufpasser spielte. Und außerdem hatte
sie seit dem Zerwürfnis mit ihrer Mutter nicht mehr mit Chef gesprochen …
Sie blieb neben dem Telefon sitzen und biss sich auf die Finger. Sie spürte, wie ein neues Problem heraufzog: Hortenses wachsenden Freiheitsdrang zu zügeln. Sie lächelte schwach; zwei Wörter, die definitiv nicht zusammenpassten: »Hortense« und »zügeln«. Sie hatte Hortense niemals zügeln können. Sie war jedes Mal überrascht, wenn ihre Tochter ihr gehorchte.
Sie hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss der Wohnungstür drehte. Madame Barthillet kam in die Küche und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
»Da haben wir’s!«
»Was haben wir?«
»Er heißt Alberto Modesto, und er hat einen Klumpfuß.«
»Alberto Modesto … Das klingt doch hübsch.«
»Ja, aber ein Klumpfuß ist ganz und gar nicht hübsch. Das ist mal wieder typisch für mich … Angel ich mir doch tatsächlich’nen Krüppel!«
»Also bitte, Christine, das ist doch nicht schlimm!«
»Sie müssen ja nicht neben’nem
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