Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Pferdekutschen, Seen mit Enten drauf und eine Statue von Alice im Wunderland mit dem Großen Weißen Kaninchen!«
Sie wollten gerade zum Central Park aufbrechen, als die Tür des Arbeitszimmers geöffnet wurde und sie Schritte hörten.
»Dein Vater?«
»Psst! Warte … Das werden wir gleich sehen.«
»Wir können nichts sehen, wir sitzen hier im Dunkeln.«
»Du bist blöd! Warte doch einfach ab … Vielleicht ist es das Große Weiße Kaninchen.«
Es war Philippe. Sie hörten seine Stimme. Er telefonierte. Auf Englisch.
»Glaubst du, er spielt mit? Kennt er das SPUR?«
»Psst!«
Er hielt Zoé den Mund zu, und die beiden lauschten mit angehaltenem Atem.
»She didn’t write the book, John, her sister wrote it for her. I am sure of it …«
»Was sagt er?«
»Warte!«
»Yes, she’s done it before! She’s such a liar. She made her sister write the book and she is taking advantage of it! It’s a big hit here in France … No! Really! I’m not kidding!«
»Was sagt er? Ich verstehe nichts!«
»Du nervst, Zoé! Warte gefälligst. Ich übersetze es dir nachher. Wenn du so weitermachst, verpasse ich die Hälfte.«
»So let’s do it. In New York … At the film festival. I know for sure he’s going to be there. Can you manage everything? OK … We talk soon. Let me know …«
Er legte auf.
Die beiden Kinder saßen wie versteinert im Schrank. Sie wagten nicht, sich zu rühren oder zu flüstern. Philippe schaltete die Stereoanlage ein, und klassische Musik erklang, sodass sie leise reden konnten.
»Was hat er gesagt? Was hat er gesagt?«, wollte Zoé erneut wissen und nahm die runde Brille ab.
»Er hat gesagt, dass meine Mutter das Buch nicht selbst geschrieben hat. Dass deine Mutter es geschrieben hat. Er hat gesagt, dass meine Mutter so etwas schon mal gemacht hat und dass sie eine schlimme Lügnerin ist.«
»Glaubst du das?«
»Wenn er das sagt, dann stimmt es auch … Er lügt nicht, da bin ich mir ganz sicher.«
»Das zwölfte Jahrhundert passt ja auch viel besser zu meiner Mutter. Dann hat sie also das Buch geschrieben, und deine Mutter … Aber warum, Alex, warum?«
»Ich habe keine Ahnung …«
»Wir könnten das Große Weiße Kaninchen fragen.«
Alexandre musterte sie nachdenklich.
»Nein, wir bleiben noch ein bisschen hier; vielleicht telefoniert er noch mal!«
Sie hörten, wie Philippe im Zimmer herumging. Dann blieb er stehen. Sie errieten, dass er sich eine Zigarre anzündete, kurz darauf erfüllte Tabakgeruch den Raum.
»Das stinkt!«, protestierte Zoé. »Wir müssen hier raus. Das brennt in der Nase …«
»Warte, bis er weg ist. Er darf uns nicht sehen … Sonst ist es aus und vorbei mit dem SPUR. Wenn ein geheimer Ort entdeckt wird, hört er auf zu existieren … Reiß dich zusammen und warte.«
Sie brauchten nicht mehr lange zu warten. Philippe ging hinaus, um sich bei Carmen zu erkundigen, wo die Kinder seien.
Lautlos verließen sie den Schrank und huschten in Alexandres Zimmer, wo Philippe sie auf dem Boden sitzend und Comics lesend vorfand.
»Alles in Ordnung, ihr zwei?«
Verlegen sahen sie einander an.
»Habt ihr etwa Angst vor mir? Sollen wir zusammen einen Film anschauen? Ihr habt morgen keine Schule, also könnt ihr länger aufbleiben.«
Erleichtert stimmten sie zu und begannen darüber zu streiten, welchen Film sie sehen wollten. Nachdem Alexandre Matrix und Zoé Dornröschen ausgesucht hatten, versöhnte Philippe sie mit dem Vorschlag, noch einmal Der Mörder wohnt in Nr. 21 zu schauen.
»Das wird dir auch gefallen, Zoé. Du wirst zwar ein bisschen Angst haben, aber du weißt genau, dass alles gut ausgeht.«
Sie setzten sich vor den Fernseher, und während Philippe den Film einlegte, tauschten die Kinder einen vielsagenden Blick.
Luca hatte ihr vor sechs Monaten davon erzählt: »Nächsten Oktober findet in Montpellier ein Kongress zur Rolle des Sakralen im Mittelalter statt. Ich nehme daran teil, und Sie sollten auch kommen und einen Vortrag halten. Eine zusätzliche Veröffentlichung wäre doch gut für Sie.« Sie würde ihn in Montpellier treffen. Er sollte seinen Vortrag am Freitag halten. Sie war für den Samstagnachmittag eingetragen.
Er war wieder aufgetaucht, nachdem er sich den ganzen Sommer
über nicht hatte blicken lassen. Ohne jede Erklärung. Eines schönen Tages stand er in der Bibliothek vor ihr. Sie hatte nicht gewagt, ihm Fragen zu stellen. »Hatten Sie einen schönen Sommer?«, hatte er sich erkundigt. »Sie sehen gut
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