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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Penelope? Seien Sie vorsichtig, bald zieht Ihnen noch jemand einen Tschador über!«, war sie so gekränkt gewesen, dass sie ohne nachzudenken geantwortet hatte: »Es wird Sie überraschen: Ich habe angefangen zu schreiben!« Kaum hatte sie diesen Satz gesagt, leuchteten die Augen des Verlegers auf.
    »Einen Roman? Welche Art von Roman?«
    »Einen historischen Roman …«
    Gleich waren ihr Joséphine und ihre Forschungen zum zwölften Jahrhundert eingefallen, und ihre Schwester hatte sich zwischen sie selbst und diesen Mann geschoben.
    »Ach, das ist ja interessant! Die Franzosen sind ganz verrückt nach Geschichte und historischen Romanen … Und, haben Sie schon damit angefangen?«
    »Ja«, hatte sie dreist geantwortet und Zuflucht zu den Erkenntnissen ihrer Schwester genommen. »Der Roman spielt im zwölften Jahrhundert … zur Zeit von Eleonore von Aquitanien. Heutzutage sind viele falsche Vorstellungen über diese Epoche in Umlauf. Es ist eine Phase des Umbruchs in der französischen Geschichte … Eine Epoche, die der unseren auf verblüffende Weise ähnelt: Das Geld verdrängt mehr und mehr den Tauschhandel und nimmt eine beherrschende Stellung im Leben der Menschen ein, die Dörfer leeren sich, die Städte wachsen, Frankreich öffnet sich fremden Einflüssen, der Handel breitet sich in ganz Europa aus, die Jugend findet ihren Platz in der Gesellschaft nicht, sie rebelliert und greift zur Gewalt. Die Religion spielt eine maßgebliche Rolle, sie ist gleichermaßen politische wie wirtschaftliche und gesetzgebende Kraft. Die Priester gebärden sich wie Ayatollahs, und in ihren Reihen gibt es zahllose Fanatiker, die sich in alle Lebensbereiche einmischen. Es ist auch die Zeit der großen Bauwerke, der Kathedralen, der Universitäten, der Hospitäler, die Zeit der ersten Liebesromane, der ersten philosophischen Debatten …« Sie improvisierte. Jos Argumente strömten aus ihrem Mund wie Diamanten, und der begeisterte Verleger, der bereits eine Goldader witterte, ließ sie nicht mehr aus den Augen.
    »Das ist ja faszinierend. Wann essen wir zusammen zu Mittag?«
    Es tat so gut, als eigenständige Person zu existieren, nicht mehr nur »Frau von …« und Mutter zu sein … Sie spürte, wie ihr Flügel wuchsen.
    »Ich melde mich bei Ihnen. Sobald ich etwas Brauchbares vorzuweisen habe …«
    »Aber Sie zeigen es vorher niemandem, versprochen?«
    »Versprochen!«
    »Ich verlasse mich auf Sie … Sie bekommen auch einen guten Vertrag, ich will es mir schließlich nicht mit Philippe verscherzen.«
    Er hatte ihr seine Durchwahl gegeben und sie beim Abschied noch einmal an ihr Versprechen erinnert.
    Philippe setzte sie vor dem Haus ab, ehe er den Wagen parkte.
    Sie flüchtete in ihr Schlafzimmer und dachte beim Ausziehen an die Geschichte, die sie erfunden hatte. Wie tollkühn! Was mache ich denn jetzt? Doch dann beruhigte sie sich: Das hat er bald wieder vergessen, und wenn nicht, sage ich ihm, dass ich noch ganz am Anfang stehe und mehr Zeit brauche …
    Die bronzene Uhr auf dem Kaminsims im Schlafzimmer schlug Mitternacht. Iris erschauerte vor Behagen. Es hatte sich so gut angefühlt, eine Rolle zu spielen! Ein anderer Mensch zu werden. Sich ein Leben zu erfinden. Sie hatte sich in die Vergangenheit zurückversetzt gefühlt, in ihre Zeit an der Columbia-Universität, als sie in Gruppen eine Inszenierung, eine Rolle, eine Kameraeinstellung, die Form der Dialoge oder die Wirksamkeit einer Überleitung analysierten. Sie hatte den Schauspielschülern vorgemacht, wie sie ihre Figur darstellen sollten. Sie hatte den Mann, dann die Frau, das unschuldige Opfer und die perverse Manipulatorin gespielt. Das Leben war ihr niemals groß genug erschienen, um alle Facetten ihrer Persönlichkeit entfalten zu können. Gabor ermutigte sie. Gemeinsam entwickelten sie Drehbücher. Sie waren ein gutes Team.
    Gabor … Immer wieder landete sie bei ihm.
    Sie schüttelte den Kopf und riss sich zusammen.
    Zum ersten Mal seit Langem hatte sie sich lebendig gefühlt. Sicher, sie hatte gelogen … Aber es war doch keine große Lüge gewesen!
    In einem Negligé aus cremefarbener Spitze saß sie am Fußende des Bettes, griff nach ihren Bürsten und fuhr damit durch ihr langes schwarzes Haar. Dieses Ritual ließ sie niemals ausfallen. In den Romanen, die sie als Kind gelesen hatte, bürsteten die Heldinnen jeden Morgen und jeden Abend ihr Haar.
    Während sie vornübergebeugt dasaß und ihr Haar unter den Bürstenstrichen knisterte, dachte

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