Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
verheimliche, dass ich für ihren Mann arbeite, ich belüge meinen Betreuer, indem ich behaupte, dass ich mich nicht mehr auf meine Forschung konzentrieren kann, seit Antoine weg ist! Früher war mein Leben so klar und geordnet wie eine Musikpartitur, und jetzt herrscht darin ein grauenvolles Getöse.
Während Joséphine auf der Kante das Liegestuhls saß und ihren inneren Monolog führte, wartete Alexandre Dupin ungeduldig darauf, dass seine kleine Cousine endlich lange genug im Wasser herumgetollt hatte, um sich wieder ruhigeren Beschäftigungen zuzuwenden. Er wollte ihr unbedingt die Fragen stellen, die in seinem Kopf herumschwirrten. Zoé war die Einzige, von der er sich eine Antwort erhoffte. Er konnte sich weder Carmen anvertrauen noch seiner Mutter und schon gar nicht Hortense, die ihn immer noch wie ein Baby behandelte. Und so schwamm er, als Zoé endlich geruhte, sich am Beckenrand
festzuhalten, um sich ein wenig auszuruhen, sofort zu ihr hin und begann auf sie einzureden.
»Zoé! Ich muss dich was fragen … Etwas Wichtiges.«
»Was denn?«
»Glaubst du, wenn Erwachsene im gleichen Bett schlafen, dann heißt das, sie sind verliebt?«
»Maman hat schon mit Shirley in einem Bett geschlafen, und sie sind nicht verliebt …«
»Ja, aber ein Mann und eine Frau … Glaubst du, wenn sie zusammen schlafen, dann sind sie verliebt?«
»Nein, nicht immer.«
»Aber wenn sie Sex machen? Dann müssen sie doch verliebt sein, oder?«
»Das hängt davon ab, was du mit verliebt meinst.«
»Glaubst du, wenn die Erwachsenen keinen Sex mehr machen, dann sind sie nicht mehr verliebt?«
»Weiß nicht. Wieso?«
»Weil Papa und Maman nicht mehr im gleichen Zimmer schlafen … Schon seit zwei Wochen.«
»Dann lassen sie sich scheiden.«
»Bist du sicher?«
»Ziemlich … Max Barthillets Papa ist ausgezogen.«
»Er hat sich auch scheiden lassen?«
»Ja. Und Max hat mir erzählt, dass sein Papa, ehe er weggegangen ist, nicht mehr bei seiner Mutter geschlafen hat. Er hat überhaupt nicht mehr zu Hause geschlafen, sondern irgendwo anders, Max wusste nicht genau, wo, aber …«
»Also mein Papa schläft in seinem Arbeitszimmer. In einem ganz schmalen Bett …«
»Oje! Dann lassen sich deine Eltern ganz bestimmt scheiden! Und dich schicken sie womöglich zum Psychologen … Das ist ein Mann, der deinen Kopf aufmacht, um zu verstehen, was darin los ist.«
»Ich weiß selbst, was in meinem Kopf los ist. Ich hab immer Angst… Bevor Papa angefangen hat, in seinem Arbeitszimmer zu schlafen, bin ich nachts manchmal aufgestanden, um an ihrer Schlafzimmertür zu lauschen, und dahinter war es vollkommen still. So still,
dass es mir Angst gemacht hat! Früher machten sie manchmal Sex, dabei machten sie Geräusche, aber das hat mich beruhigt …«
»Und jetzt machen sie gar keinen Sex mehr?«
Alexandre schüttelte den Kopf.
»Und sie schlafen nicht mehr zusammen?«
»Gar nicht mehr … seit zwei Wochen.«
»Dann geht’s dir bald so wie mir: Sie lassen sich scheiden!«
»Bist du sicher?«
»Ja … Und das ist nicht schön. Deine Mama ist dann immer genervt. Maman ist traurig und müde, seit sie geschieden ist. Sie schreit, sie regt sich auf, das ist gar nicht schön, weißt du … Und bei deinen Eltern wird es ganz genauso sein!«
Hortense, die gerade übte, eine ganze Beckenlänge zu tauchen, steckte genau in dem Moment neben ihnen den Kopf aus dem Wasser, als Alexandre wiederholte: »Papa und Maman! Geschieden!« Sie gab vor, die beiden nicht zu beachten, um noch mehr aufzuschnappen, doch Alexandre und Zoé durchschauten ihren Trick und verstummten, als sie sahen, wie sie sich vor ihnen auf dem Rücken treiben ließ. Wenn sie nicht weiterreden, heißt das, die Sache ist ernst, dachte Hortense. Iris und Philippe wollen sich scheiden lassen? Wenn Philippe Iris verlässt, hat sie viel weniger Geld und kann mich nicht mehr so verwöhnen wie bisher. Diesen roten Bikini brauchte ich im Sommer nur anzuschauen, und schon hat Iris ihn mir geschenkt. Sie dachte an den Computer. Es war dumm gewesen, Iris’ Angebot abzulehnen, ihr einen zu kaufen: Er wäre zehnmal schöner gewesen als der, den ihre Mutter aussuchen würde. Sie redete die ganze Zeit nur vom Sparen. Die verdirbt einem jeden Spaß mit ihrem Sparen! Als wäre Papa einfach gegangen, ohne ihr Geld dazulassen! Undenkbar. Das hätte er nie getan. Papa ist ein verantwortungsvoller Mann. Und ein verantwortungsvoller Mann zahlt. Er zahlt und tut gleichzeitig so,
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