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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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dich liebt, du Vollidiot? Die Alte schneidet dir mit ihrer Nagelschere die Eier ab. Ich glaub’s nich, wo ist dein Hirn geblieben?« Marcel hatte mit den Schultern gezuckt. »Wir wollen ein Baby, und dann geht sowieso alles an den Kleinen!«
    »Die soll’n Baby von dir kriegen? Du träumst wohl!«
    Beleidigt hatte Marcel das Lagertor hinter sich zugeschlagen.
    Damals hatten sie über einen Monat nicht mehr miteinander geredet. Und nachdem sie sich wieder versöhnt hatten, waren sie sich einig gewesen, dieses Thema nie wieder anzusprechen.
    Und jetzt war es Josiane, die ihn dermaßen meschugge machte, dass er an einer alten Strumpfhose schnüffelte.
    »Soll das noch lange so weitergehen? Ich sag dir was, hängst rum wie’n Schluck Wasser in der Kurve …«
    »Ich hab einfach zu nichts mehr Lust …«, antwortete Marcel, und aus seiner Stimme sprach die Resignation eines Mannes, dem das Leben alles genommen hat und der sich widerspruchslos in sein Elend fügt.
    »Heißt das, du willst ab jetzt nur noch rumsitzen und warten, bis du unter die Erde kommst?«
    Marcel antwortete nicht. Er hatte abgenommen, und seine Wangen hingen wie zwei schlaffe Beutel herab. Er war zu einem stumpfsinnigen, bleichen Greis geworden, der aussah, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Seine geröteten Augen schimmerten feucht.
    »Reiß dich gefälligst zusammen, Marcel, das is ja jämmerlich. Fehlt nich mehr viel, und man kriegt das Grausen. Wo bleibt dein Stolz?«
    Bei dem Wort »Stolz« zuckte Marcel Grobz mit den Schultern. Er sah René aus wässrigen Augen an und hob die Hand, als wollte er sagen: Wozu denn noch?
    René starrte ihn ungläubig an. Das konnte doch nicht derselbe Mann sein, der ihm die Kunst des Krieges im Geschäftsleben gepredigt hatte. Seine Abendschule nannte Marcel das. René hatte den Verdacht, dass er vor allem sich selbst überzeugen und Mut machen wollte, wenn er mit lauter Stimme seine Theorien verkündete. »Je kühler du rechnest, desto weiter kommst du. Keine Gefühle, mein Junge. Sei ein eiskalter Killer! Um von Anfang an klarzustellen, wer das Sagen hat, musst du gleich einen großen Coup landen. Schmeiß ’nen Quertreiber raus oder vernichte einen Konkurrenten, dann werden sie dich für den Rest deines Lebens fürchten!« Oder: »Es gibt drei Wege zum Erfolg: Stärke, Genie oder Korruption. Korruption ist nicht mein Ding, ein Genie bin ich nicht, also … bleibt mir nur noch die Stärke! Weißt du, was Balzac geschrieben hat? ›Man muss entweder wie eine Kanonenkugel in die Menschenmasse einschlagen oder sich wie eine Seuche hineinschleichen.‹ Gut gesagt, findest du nicht?«
    »Woher kennst du das denn? Du bist doch nie zur Schule gegangen?«
    »Henriette, mein Junge, Henriette! Sie schreibt mir Karteikarten, damit ich bei Geschäftsessen nicht so blöd dastehe. Die lern ich auswendig und sag sie auf.«
    Ein dressierter Pudel, hatte René gedacht. Aber er hatte nichts gesagt. Damals war Marcel noch stolz. Stolz darauf, Henriette am Arm zu haben und Zitate auswendig zu lernen, um bei Geschäftsessen einen guten Eindruck zu machen. Damals, in der guten alten Zeit. Er hatte alles: Erfolg, Geld und die Frau, die er wollte. Was stimmt denn hier nicht?, fragte er René und schlug ihm auf den Rücken. Ich hab alles, alter Junge! Einfach alles! Und wer reitet bald auf meinem
Schoß? Marcel junior höchstpersönlich. Mit den Händen zeichnete er ein Babyköpfchen in die Luft, ein Sabberlätzchen, eine Kinderrassel und lächelte dabei verzückt. Marcel junior! Ein Erbe. Ein kleiner Junge, dem er eines Tages das Steuer übergeben könnte. Auf den warteten sie heute noch!
    Manchmal bemerkte René, wie Marcel seine Kinder ansah. Er winkte ihnen zu, und es schien, als sei seine Hand bleischwer, als verabschiede er sich von einem Traum.
    René schnippte die Zigarettenasche weg, die auf seine Latzhose gefallen war, und dachte, dass sich in jedem Sieger auch ein Besiegter verbarg. Zu einem Leben gehört nicht nur das, was man erreicht hat, sondern auch das, was unterwegs dran glauben musste. Marcel hatte Geld und Erfolg, aber die Liebe und das Kind waren auf der Strecke geblieben. Er selbst hatte Ginette und die drei Kinder, aber dafür keinen müden Cent auf der hohen Kante.
    »Los, red schon … Was is los? Und wehe, deine Geschichte taugt nix, bei der Fresse, mit der du seit ’nem Monat durch die Gegend läufst.«
    Marcel zögerte, zog müde ein Augenlid hoch und machte schließlich reinen Tisch. Er

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