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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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bis ich selbst Direktor wurde. Verstehen Sie das?«
    Ich hätte am liebsten nein gesagt, aber ich nickte nur schwach. Wann würde die Verurteilung beginnen? Würde ich als Kindesverführer ersten Ranges eingestuft und zurück in den Osten unter die ständige Bewachung meiner Eltern abgeschoben werden? Meine Augen suchten seinen Tisch gründlich nach dem
Fantasie
zettel ab. Schweiß rann mir unter den Achseln die Brustseiten hinunter.
    »Nun ja, ich erinnere mich daran, dass ich meinem Vater, als ich noch ein Kind war, natürlich, beim Holzhacken helfen wollte. Wir gingen zusammen in den Wald, aber mein Vater verbot mir, ihm zu helfen. Ich lief tiefer in den Wald und weinte, weil mein Vater gesagt hatte, dass ich zu jung dafür wäre. Später, als mein Vater ins Haus zurückgegangen war, wollte ich ihm zeigen, was ich schon konnte. Ich legte also einen Holzklotz auf den Bock und ließ die Axt mit einem großen Hieb darauffallen. Ein Splitter schoss hervor und verletzte mich an der rechten Augenbraue. Hätte mich blind machen können. Die Narbe ist immer noch da. Was für ein Glück, dass ich noch sehe. An dem Tag habe ich meine Lektion gelernt …
Höre immer auf deinen Vater …
    Warum verlängerte er meine Qualen so? Der Teil in mir, der von Angst noch nicht ganz und gar zerfressen war, fühlte sich gereizt, ihm das imitierte Schnarchen vorzuspielen. »Nun, Lester. Eh, Mr. Lester«, fuhr er mit vorsätzlicher Beredsamkeit fort, wobei er durch seine großporige, breitflügelige Nase schnaufte, »die Aufgabe, vor der ich jetzt stehe, ist nicht leicht für mich, und ich mag diese Art von Aufgaben gar nicht. Aber, wie ich schon sagte, beinhaltet diese meine Stellung alle möglichen Arten von Verantwortung, und mir bleibt keine andere Wahl, also ist es, wenn man die Umstände betrachtet …« Er furzte. Es gab einen kaum hörbaren Puff, so als ob er versucht hätte, sich zurückzuhalten, aber der Furz war trotzdem durchgeschlüpft. Er fuhr unbeirrt fort. »Ich fürchte, ich muss Sie leider davon in Kenntnis setzen, natürlich mit aller Würde und Anstand, eben dieser Art von Anstand, die ich immer aufzuzeigen versuche …«
    Unfähig, dieses Gewäsch noch weiter zu ertragen, stand ich auf. »Halt, halt. Nun machen Sie schon und sagen Sie es. Ich kann es nicht mehr ertragen.«
    Er sah mich an, als könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum ich auf einmal so verdrießlich war. »Mr. Lester. Ich glaube kaum, dass wir diese Art von Umgang miteinander nötig haben. Ich bin daran gewöhnt, von Ihren Kollegen Stöhnen und Ablehnung zu hören, wenn ich einem von ihnen sage, dass er für diesen Winterkarneval ausgewählt worden ist, den Fakultätsclown zu spielen, aber Sie verhalten sich lächerlich.«
    »Clown«, wiederholte ich ausdruckslos und setzte mich wieder.
    »Ja, Clown. Sie wissen doch. Es findet in der Turnhalle statt. Sie sitzen auf einem kleinen Thron, und die Schüler werfen mit Bällen nach einem Ziel. Wenn sie es treffen, fallen Sie ins Wasser. Es ist immer die Hauptattraktion auf dieser Art Feste. Damit verdienen wir am meisten Geld. Die Schüler stellen sich manchmal einen ganzen Tag lang an, um einen Lehrer mal eintauchen zu dürfen, wie sie sich ausdrücken. Da dies für einen Lehrer recht unangenehm ist, wähle ich immer neue Fakultätsmitglieder für diese Aufgabe, sozusagen als Feuertaufe. Es sollte nicht zu schlimm für Sie werden.« Er sah sich um, als erwartete er, von jemandem hinter seinem Bücherregal belauscht zu werden, und flüsterte dann: »Sagen Sie niemandem, dass ich Ihnen diesen Rat gegeben habe, aber ich würde an Ihrer Stelle unter dem Clownskostüm einen Taucheranzug tragen. Sie wissen schon, diese Dinger, die die Tieftaucher immer tragen.«
    »Ja, Sir.« Ich lächelte. Mein eigener Anzug fing wieder an zu trocknen. »Clown. Aber mit Vergnügen. Ich freue mich sogar darauf.«
    »Ausgezeichnet.« Er bot mir eine Zigarre aus seiner Rosenholzschachtel an.
    »Danke, nein. Gibt es sonst noch etwas?«
    »Nein, nein. Machen Sie nur weiter …«
    In der Freude über diese Gnadenfrist fühlte ich mich wieder sicher. Annie und ich waren einfach zu vorsichtig, um geschnappt zu werden. Sie lief zu meiner Wohnung. Sie hatte mir gesagt, dass noch nie jemand sie dabei beobachtet hätte. Es hätte auch noch nie jemand gesehen, wie sie hineinging. Clara hatte Verschwiegenheit geschworen. In der Schule benahmen wir uns wie zwei Fremde und begegneten uns auch kaum. Diese Sicherheit ließ mich

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