Die gelehrige Schuelerin
Knöchel gewickelt. Binde sie sehr fest, damit du Halt in den Schuhen hast.«
Der einzige Wintersport, den ich wirklich beherrschte, war Hallenschwimmen. Annie half mir schließlich, und dann waren wir bereit.
Ich wackelte zum Eis. »He«, rief ich. »Wo sind diese kleinen Wände, die immer die Eisfläche umranden?« Annie verdrehte fragend die Augen. »Und die Musik? Wo ist die Musik? Da muss es doch so eine kleine Orgel geben, die
›Tie a Yellow Ribbon Round the Old Oak Tree‹
spielt.« Mir war klar, dass das hier nicht so leicht wie Langlaufski werden würde. »Ich brauche wirklich eine Mauer. Meine Mutter ist, wenn ich mich recht erinnere, nur einmal mit mir zum Schlittschuhlaufen gegangen, und ich habe das nur überstanden, weil ich mich immer an der Mauer am Rand festhalten konnte.«
»Komm endlich her, du großes Baby.« Aber ich stand am Ufer und bewegte mich nicht, starrte nur auf die Eisfläche und Annie. Ihr Körper wirkte ungeheuer locker.
Ihr Gesicht war intensiv gespannt und zeigte deutlich ihre Konzentration. Ihre Beine beugten und streckten sich, glitten mit entspannter Leichtigkeit übers Eis und beschrieben am Uferrand herrliche, sanft geschwungene Bögen. Dann lief sie rückwärts, und die Kufen blitzten ab und zu in der Sonne auf. Zuerst streckte sie die Arme vom Körper weg, um das Gleichgewicht zu halten. Ihre Figur sah wunderschön symmetrisch aus. Dann, als sie sicherer wurde, hatte sie Lust, ein wenig anzugeben. Sie fuhr eine waghalsige Acht und beendete die Übung mit einer Pirouette in der Mitte des Teiches. Magnetisiert von ihren weichen Bewegungen stellte ich sie mir schon als die Weltmeisterin im Eiskunstlauf in »Wide World of Sports« vor. Sie würde ein grellbuntes Kleidchen tragen, unter dessen kurzem Röckchen ihre bestrumpften Beine hervorwachsen würden. Annie, wie sie über den großen Teich glitt, der von beiden Seiten mit schönem weißen Schnee eingerahmt war, überall war Weiß. Nur die dunkle, ästhetisch-artistische Erscheinung, die sich dort über die Fläche bewegte, bildete einen Kontrast von reiner Grazie und vollendeter, weiblicher Athletik.
Ich hörte, wie sie mir zurief: »Nun komm schon, Arnie. So schwer ist es auch wieder nicht.«
Aber wie hätte ich mit ihr Schritt halten können?
Ich meine, ich hatte schon ein bisschen gezittert, als ich zugesagt hatte, mit ihr aufs Eis zu gehen, denn ich wusste, dass es ziemlich schlimm werden würde. Aber, na, wenn schon, hatte ich mir gesagt, was soll’s. Da hatte ich ja noch nicht gewusst, dass ich auf dem Weg zu einer Verabredung mit Peggy Flemming war.
Sie führte mich aufs Eis hinaus, und meine Beine sackten unter mir weg. Jeder Schritt war eine äußerst vorsichtige Vorwärtsbewegung, die mich ständig in Angst hielt, jeden Augenblick zu einem Haufen zusammenzusinken. Nachdem sie mich bis zur Teichmitte begleitet hatte, ließ Annie mich allein stehen. »He!«, rief ich verärgert. Sie wollte mich necken. »Schwimm oder geh unter. Das ist die einzige Art, es zu lernen.«
Sie hatte zwar nicht die Geduld eines guten Lehrers, aber dafür hatte sie das Herz am rechten Fleck.
Von meiner Froschperspektive auf der Teichmitte beobachtete ich, wie Annie immer größere Kreise um mich zog. Sie streckte die Zunge aus dem Mund und fuhr sich oft mit dem Daumen an die Nasenspitze. Sie hatte ihren Spaß. Ich spürte die gewöhnliche Gemeinsamkeit, die wir bei diesen Unternehmungen sonst zusammen hatten, nicht mehr. Das Verwirrte mich total.
Schließlich wagte ich einen Schritt vorwärts. Nicht gleitend, sondern auf den blinkenden Kufen stolpernd, fiel ich prompt auf den Hintern. Es war hart, tat aber nicht so weh, wie ich mir vorgestellt hatte. Den Schnee von meiner Hose klopfend, ging ich ein paar Schritte weiter. Wieder fiel ich hin und stand auf. Plötzlich sah ich mich selbst – den altmodischen, bebrillten Freund in dem Film
Rocky –,
wie ich übers Eis glitt (stöckelte) und ein Stadion zur Verfügung hatte, das für die Öffentlichkeit geschlossen war. Annie war Rocky – ihre Geschicklichkeit und Stärke gaben ihr diesen muskulösen, kräftigen Schwung –, die so geschmeidig neben mir glitt.
Ich flatterte wild mit den Armen, wie ein Vogel, der mitten im Flug das Vertrauen in seine Flugfähigkeit verlor. Ich fiel hin, stand auf und fiel wieder.
Annie kam herüber und nahm mich an die Hand. »Du musst deine Muskeln entkrampfen. Versuche, deinen Körper im Gleichgewicht zu halten, so ähnlich wie beim Rad fahren.
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