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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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Es ist einfach passiert. Alter Kaffee. Ich möchte jetzt ein bisschen Spaß mit dir zusammen haben.«
    Sie ließ sich nicht durch ständige Analysen irritieren. Sie hatte weder Zweifel, noch machte sie sich Sorgen. Sie konnte einfach tun, was sie wollte, ohne dass ihr dabei immerzu die Vernunft im Wege stand. Das konnte ich von ihr lernen.
    »Okay. Lass uns in das Konzert gehen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du Jerry Garcia magst«, sagte ich, während ich beim Fahren auf die Straße achtete.
    »Jerry Garcia,
außerordentlicher
Gitarrenspieler, Leadgitarrist bei
The Greatful Dead,
willst du mich verarschen? Ich bin ganz versessen auf den Sound der Sechziger. Zu Hause habe ich sogar ein Hendrixalbum. Clara übrigens auch. Eine Menge Kinder aus der Schule mögen die alten Gruppen lieber.«
    »Du willst damit sagen, dass die Leute deines Alters scharf auf Jimmy Hendrix sind?!«
    »Kennst du das Plattengeschäft in Salem, das
Waxed Wheels

    »Nein.«
    »Na ja, jedenfalls verkaufen die nur Platten aus den sechziger Jahren. Keine Discomusik. Er ist der bestgehendste Plattenladen in der ganzen Stadt, und es gehen fast nur Teenies dorthin.«
    »Ich wusste zwar, dass die Schüler wieder auf das Zeug aus den Fünfzigern abfahren, all dieses ›Happy days‹-Gesäusel, aber mir war noch nicht klar, dass die Sechziger schon für ein Comeback bereit sind.«
    Annie sah mich überrascht an. »In Eugene gibt es jetzt sogar eine Bewegung, die ein neues Festival mit den alten Gruppen zustande bringen soll. Woodstock und so. In diesem Sommer soll ein Fest zum zehnten Jahrestag stattfinden. Eine Gruppe von Schülern versucht, so einen Typen ausfindig zu machen, der das Ganze organisieren soll, er lebt irgendwo da unten. War während der Sechziger ein großer Hit. Du kennst ihn. Es ist der Mann, der den Film
Einer flog übers Kuckucksnest
geschrieben hat.«
    »Ken Kesey«, sagte ich, von Minute zu Minute erschütterter. »Er hat das Buch geschrieben.«
    Die ganze Sache war keine Wiedergeburt, sondern nur ein Aufwärmen.
    Jerry Garcia kam mit seiner Gitarre und einer aus dreißig Instrumenten bestehenden Backgroundband auf die Bühne. Das Konzert fand in einem Stadion statt, in dem sonst professionelle Hockey- und Baseballspiele ausgetragen wurden. Die Akustik war ausgezeichnet, wenn es darauf ankam, den Pfiff eines Schiedsrichters wahrzunehmen. Ich hätte ein Fernglas gebraucht, um Jerry weit unten auf der Bühne erkennen zu können. Wir saßen ganz oben auf Plastiksitzen.
    Aber es wurde noch schlimmer.
    Dieses Konzert glich einer Festwiese für Teenypopper.
    Viele der Kinder waren noch jünger als Annie. Ich hätte ein Hörrohr gebraucht, um bei dem Geschnatter noch etwas von der Musik mitbekommen zu können.
    Bonbonverkäufer.
Candy!
Bei einem Rockkonzert! Die jüngeren Schüler liefen mit klebriger Brause, Popcorn und Erdnusstüten herum, die großen trugen Bierdosen in braunen Hängetaschen versteckt. Niemand blieb auf seinem Platz. Niemand hörte auf die Musik. Sie warfen Frisbees, Tennisbälle, Gummibälle. Sie ließen Luftballons steigen. Überall Gelächter, Verspieltheit.
    Jerry kümmerte sich nicht darum, er spielte unverdrossen.
    Es waren nicht nur Kinder da (ich will es nicht übertreiben), sondern auch vereinzelte Gruppen von älteren Zuhörern, die versuchten, sich auf die Musik zu konzentrieren. Leute in
meinem Alter.
Aber der hohe Geräuschpegel, der durch die Luft schwirrte, und das ständige Gehüpfe über die Bankreihen gaben mir das Gefühl, als ob ich mich auf einem Spielplatz befände.
    Viele dieser Kinder konnten unmöglich wissen, wer Jerry Garcia eigentlich war. Sie hatten irgendwo wohl etwas von einem
Konzert
gehört und waren halt hingegangen. Ein großer Spaß und ein Ereignis voller Spiel und Toberei.
    Vielleicht konnten einige wenige von ihnen mit der Musik sogar etwas anfangen. Aber auch das war für sie nur eine theoretische Vorstellung von der Vergangenheit. Die Gesinnung, das Leben fehlten. Die Einheit von musikalischer Intensität und der entsprechenden des lauschenden Publikums war überhaupt nicht vorhanden. Klar, wir haben damals auch bei den Konzerten
gespielt –
aber mit der Musik.
    War es wirklich schon so lange her, dass mein älterer Bruder mit mir nach Fillmore East, New York, gefahren war, um die wirklichen
Greatful Dead
zu hören, nein, zu erleben? Damals waren wir wie in einem Dampfkessel eingeschlossen gewesen, in einer Masse, die die Musik in sich einsog, sich zu ihren Höhen

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