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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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aufschwang, in dem Bewusstsein von ihrer Bedeutung ein Teil davon wurde. Die Wellen der elektrisch verstärkten Gitarren brachen auf uns nieder und setzten sich vibrierend in unseren Körpern fort. Wir tanzten. Im Bewusstsein der Zuhörer herrschte Einheit und Zusammengehörigkeit – aber wir waren ja nicht nur Zuschauer, wir wollten uns nicht nur unterhalten lassen, sondern waren zu einem bestimmten Zweck dorthin gegangen, so vage dieser auch gewesen sein mag, er hatte uns miteinander vereint.
    Jerry spielte noch einen kurzen Akkord, winkte und verließ die Bühne. Nach einem wilden Applaus und einer schimmernden Feuerwerksimitation von unzähligen, aufleuchtenden Streichhölzern und Feuerzeugen, kam er noch mal heraus und spielte eine Zugabe. Wieder ging er. Jemand ließ Feuerwerkskörper knallen. Wir gingen auch.
    Verstört, mit zusammengepressten Lippen schob ich mich durch den Wagenpark mit wartenden Eltern, die ihre Kinder wieder nach Hause holen wollten. In meinem Wagen sagte Annie plötzlich: »Großartiges Konzert, nicht wahr?«
    Ich starrte sie an und durchsuchte ihre Augen gründlich nach einem Ausdruck von Sarkasmus. Sie meinte es jedoch ernst.
    Den ganzen Abend hatte sie sich damit unterhalten, entweder die Leute zu beobachten, oder auf die Musik zu hören. Dennoch hatte ich irgendwo erwartet, dass sie in gewisser Weise die ähnliche Reaktion auf das Geschehen zeigen würde, wie ich selbst.
    Jedoch, warum hätte das so sein sollen? Vermutlich hatte sie noch nie eine andere Art Konzert als dieses erlebt.
    Ich legte den ersten Gang ein und fuhr los.
    Ich konnte ihr nicht antworten.
    Ich war wütend und traurig.
    Annie missverstand mein Schweigen. Sie musste wohl glauben, dass ich wieder ein hinterhältiges Arschlochspiel mit ihr triebe. Sie warf sich im Beifahrersitz zurück und verschränkte die Arme in einer feindlich verteidigenden Haltung vor der Brust.
    Den ganzen Rückweg über wechselten wir kein Wort.
    Bilder dieses Partiegehabes auf dem heutigen Rockkonzert schossen zickzackartig durch meinen Kopf. Wie sollte ich Annie etwas erklären, das in ihren Augen mit Recht wie eine Ungerechtigkeit erscheinen würde? Lasst die Sechziger sterben, aber tanzt nicht auf ihrem Grab.
    Ich musste die richtigen Worte finden. Ich musste ihr meine ganz besonderen Erinnerungen erklären können. Ich wollte nicht noch eine Woche durchmachen müssen, in der wir uns nicht sehen, nicht miteinander sprechen würden.
    Ich beschloss zu warten, bis wir in meinem Schlafzimmer wären. Erst wenn wir in unserer Welt allein waren, konnte ich ihr meine Verstimmung erklären. Ich wollte, dass die Außenwelt wieder ausgeschlossen war. Aber als ich den Wagen vor meinem Haus parkte, stieg Annie wortlos aus, knallte die Tür hinter sich zu und machte sich auf den Heimweg.
    Ich rief ihr nicht hinterher.
    Ich versuchte auch nicht, sie übers Telefon zu erreichen.
    Träge ging ich die Stufen zu meiner Wohnung hinauf und lief direkt ins Badezimmer. Dort bog ich meinen Kopf so weit zum Spiegel vor, dass mir das Licht genau ins Gesicht fiel. Sorgfältig untersuchte ich meinen Schopf nach den ersten grauen Haaren.
    Der Rest des Wochenendes verlief äußerst deprimierend. Ich hatte nichts weiter zu tun, als mich und meinen Schwanz masturbierend übers Ohr zu hauen und mir Gedanken über Annie und mich zu machen. Wo machten wir unsere Fehler?
    Vielleicht lag es nur daran, dass wir uns gegenseitig nicht mehr so vertrauten – so, als würden wir jetzt wirklich zwei andere Persönlichkeiten werden und langsam daran zweifeln, ob das, was wir miteinander taten, wirklich gut für den anderen wäre.
    Ich hatte doch in der Nacht nach dem Schlittschuhlaufen nur versucht, sie zu befriedigen. Warum hatte sie dort nicht einsehen können, wie schwierig es für mich gewesen war, mit ihr zu schlafen? Und warum hatte sie nicht verstehen können, dass ich sie gerne oben gehabt hätte? Wie oft hatten wir schon so miteinander Liebe gemacht, dass Annie auf mir saß und den dominierenden Teil übernommen hatte? Und in der besagten Nacht hatte ich diesen Teil ja schon eine ziemliche Weile lang erfüllt gehabt. Konnte sie denn gar nicht einsehen, dass ich die Umkehrung gerade in dem Augenblick gebraucht hätte, wenigstens das bisschen?
    Aber was das Konzert betraf, war ich auch nicht gerade nett zu ihr gewesen. Es hatte mich verletzt, aber immerhin war sie es nicht gewesen, die mir wehgetan hatte. Es handelte sich nur um eine Verletzung meiner Erinnerungen. Warum

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