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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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viel liebevoller als unser Schweigen.
    Draußen war die Luft sehr warm. Ein gleichmäßiger Regen fiel. Es war kein eigentlicher Regen, eher eine Ansammlung winziger Wasserpartikel, die durch die Luft schwebten. Annie wäre es recht gewesen, wenn wir gleich vor meiner Haustür mit dem Rennen begonnen hätten. Aber wir zwei, joggend, durch Dillistown? Ich fuhr dreißig Meilen zu dem leeren Sportplatz einer benachbarten Highschool.
    Wir gingen den Pfad zum Sportfeld entlang, nachdem ich den Wagen auf dem Parkplatz abgestellt hatte. Der Sprühregen wusch mir das Gesicht, und ich senkte den Kopf. »Das Geheimnis«, deklamierte Annie, »mit dem Nordwestregen fertig zu werden, ist, nicht dagegen anzukämpfen. Er ist da. Man muss mit ihm leben. Halte den Kopf hoch und lass ihn dir ins Gesicht fallen. Gleite zwischen den Tropfen hindurch.«
    »Danke, Prof«, sagte ich grinsend und blickte geradeaus. Sie hatte Recht.
    Eine tiefe Wolkendecke, die verschiedene Farbtöne von grau bis metallisch blau aufwies, legte sich über den Platz. Die Aschenbahn war matschig. Sie führte um ein sumpfiges Fußballfeld. Wir gingen an den leeren Rängen vorbei zu den Startblöcken. Annie begann zu joggen. »Einen Moment, junge Dame«, unterbrach ich sie in meiner besten Lehrertonart. »Lektion eins … vor dem Rennen immer erst die Muskeln dehnen.«
    »Und was ist die zweite Lektion?«
    »Immer nach dem Rennen die Muskeln strecken.«
    »Die dritte?«
    »Niemals den Lehrer in Frage stellen.« Sie streckte mir die Zunge raus.
    Ich zeigte ihr verschiedene Übungen, um die Muskeln in den Beinen und Rücken zu strecken. »Nein, nein, du darfst dich nicht einfach rauf und runter beugen«, sagte ich, als wir versuchten, mit durchgedrückten Knien unsere Zehen zu erreichen. »Muskeln sind wie Menschen. Wenn du sie zu schnell überfährst, ziehen sie sich sofort zurück. Beuge dich tief hinunter, entspanne die Muskeln und halte dich so ruhig. Lass sie sich völlig an ihre neue Länge gewöhnen.«
    Annie befolgte meine Anweisungen pflichtgemäß. Es tat gut, nach der Misere auf dem Eis wieder etwas zu sagen zu haben.
    KÄMPFEN ANNIE UND ARNIE HEISS IN EINEM HOT TROTT (Ein Stück in vier Runden) von A. L.
    Runde I
    Wir fingen gemächlich an. Zu Beginn liefen wir ungleichmäßig. Meine ausgreifenden Schritte brachten mich nach vorne. Aber sie holte mich ein.
    »Wie weit möchtest du laufen?«, fragte ich.
    »Kannst du eine Meile durchhalten?«
    Ich vermeinte, in ihrer Stimme einen Anflug von Herausforderung zu hören. »Wenn du es kannst.« Ich hatte mir eigentlich nicht vorgestellt, ein Wettrennen daraus zu machen, aber … was hatte sie vor?
    Unsere Körper lehnten sich etwas aneinander, als wir die erste Kurve nahmen. Ich ließ Annie auf der Innenspur laufen, da sie hier eine kürzere Entfernung zu bewältigen hatte. Mein alter Trainer fiel mir ein. Ich glaube, es war noch auf der Highschool gewesen. Er hatte mir beigebracht, wie wichtig es war, meine Arme immer parallel zum Boden und in gleichmäßiger Bewegung zu halten. Immer vor und zurück, vor und zurück …
    Annies Haare wehten hinter ihr her. Ihre fließenden Bewegungen, Arme vor, Arme nach hinten, Beine gebeugt, Beine gestreckt, verliehen ihr dieselbe Grazie, die sie schon auf dem Eis gezeigt hatte.
    Ich hatte mal einen Freund gehabt, für den ich eine Mischung von äußerst ambivalenten Gefühlen empfunden hatte. Sein Haar war immer fettig gewesen, er kratzte sich öfter in aller Öffentlichkeit an den Hoden und war niemals, aber auch niemals pünktlich gewesen. Aber wenn er sich einmal entspannte, wenn er sich auf etwas konzentrierte, wenn er seine Kräfte sammelte, um Flöte zu spielen, wurde er zu der schönsten, ausdrucksvollsten Persönlichkeit auf der Welt. Etwas tief in ihm Verborgenes offenbarte sich dann, tauchte an die Oberfläche und verlieh seiner Erscheinung einen ganz eigenen Glanz.
    Annie drückte sich selbst vollständig auf diese Weise aus, wenn ihr Blut pulsierte. Ihr ganzer Körper war eine Bewegung. Ein Teenagermädchen, das sonst ziemlich unscheinbar aussehen konnte und normalerweise ein ruhiges Wesen an den Tag legte, konnte zu einer wunderschönen Frau werden und ihre gesunde, vibrierende Energie voll ausschöpfen.
    Wir liefen schneller. Beide waren wir aufgeregt, da wir uns gegenseitig hochschaukelten, indem jeder noch einen Schritt zulegte.
    Der Regen war nicht mehr von Bedeutung. Ich zerschmetterte die Wasserpartikel gnadenlos und durchschnitt sie mit meinem

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