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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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willst! Das tust du ja sowieso immer!« Ich spürte, dass sie das nicht wirklich hatte sagen wollen. Aber es war ihr peinlich, dass ich sie erwischt hatte. »Ich weiß gar nicht, warum ich mich so lange mit einem Kerl abgegeben habe, der nicht mal genug Mut und Selbstvertrauen besitzt, mit einer Frau auszugehen, die so alt ist wie du.«
    Sie schaffte es, mich sehr zu verletzen. »Nachdem ich dich und den Kerl auf dem Bildschirm zusammen gesehen hab, versteh ich, warum du glaubst, dass es zwischen Jungen und Mädchen keinen großen Unterschied gibt!«
    Sie war jetzt angezogen und befand sich auf dem Weg zur Wohnungstür. Wütend wie eine eben eingefangene Tigerin schrie sie: »Zur Hölle mit dir, Arnie Lester! Scheiß auf dich! Ich habe einen anderen gefickt, weil ich endlich mal jemand anderes in mir drin fühlen wollte. Das war der Grund. So, und jetzt mach’s dir selbst! Viel Spaß!«
    Tränen liefen ihr übers Gesicht, als sie die Tür mit aller Wucht hinter sich zuknallte.
    Es gab immer noch Liebe. Wir liebten uns. Nur deshalb konnten die Worte uns so tief verletzen und der Hass so plötzlich aufsteigen.
    Ich hatte gelernt: Die
totalen
Proportionen einer sich auflösenden Beziehung sind stets allgegenwärtig und bauen sich stetig auf, bis man eines Tages zu spüren bekommt, dass nichts so ist, wie man es sich vorgestellt hatte.
    Ich ließ mich auf mein Bett fallen. Es wäre zu simpel gewesen, den Tränen freien Lauf zu lassen. Ich machte kein Geräusch. Es war so leicht, sich an die Einsamkeit zu erinnern und wieder daran zu gewöhnen.
    Montag Morgen in der Schule hörte ich im Vorbeigehen jemanden sagen, wie schlecht der Winterkarneval am Samstag gewesen sei. Ich bekam noch mit, dass Hargrove persönlich den Clown auf dem Wasserthron hatte spielen müssen, und dabei hätte er noch nicht mal einen Taucheranzug beschaffen können, und die Schlangen vor diesem Stand waren natürlich ganz besonders lang gewesen. Es war unverantwortlich von mir gewesen. Es gab keine andere Betrachtungsweise.
    Dann kam Annie die ganze Woche nicht zur Schule. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und fragte Clara, was denn los wäre. »Sie ist krank, Mr. Lester«, sagte Clara geringschätzig. »Nicht liebeskrank. Sie hat sich einen seltenen Virus aufgegabelt. Und sie will Sie nicht sehen. Das hat sie mir gesagt.«
    Glücklich lief sie von mir weg. Ich musste daran denken, wie Annie mich bei meiner Grippe gepflegt hatte. Ich wollte bei meiner Liebsten sein, ihr Medizin reichen, ihre Hand halten, ihr etwas vorlesen, sie aufmuntern. Aber vermutlich entsprach es ja nicht mehr der Realität, sie meine Liebste nennen zu dürfen. Annie war krank. Annie war weg. Ich
hatte
Liebeskummer.
    Manchmal, wenn ich Arbeiten korrigierte, unterrichtete, die Stunden vorbereitete oder längst fällige Briefe an alte Freunde schrieb, konnte ich für eine Weile vergessen, was mit uns geschehen war. Aber dann überfiel es mich plötzlich bei meiner Beschäftigung, und mir wurde wieder bewusst, wie weh wir uns gegenseitig getan hatten. Wie weit wir doch jetzt voneinander entfernt waren. Dann erfasste mich eine jähe Spannung – kein richtiger Schmerz, nur ein vages, schwer zu erfassendes Wehtun, wobei das Herz ein-, zweimal schneller schlug – und der Gedanke, dass es nun keine Annie mehr gäbe, nistete sich beharrlich in mein Bewusstsein ein. Ich spürte, dass ich ihn von nun an zu einer mich leise begleitenden Wehmut umwandeln müsste.
    Sie hatte überhaupt nichts gespürt, als ich in ihr war.
    Ich hatte sie zu Dingen verleitet, die sie eigentlich nicht hatte tun wollen.
    Ich hatte vermutlich versucht, einen Mann aus ihr zu machen; wahrscheinlich war ich doch schwul.
    Vermutlich hatte ich es fertig gebracht, dass sie sich jetzt selbst hasste, weil sie all diese Worte im Grunde nicht hatte sagen wollen. Aber ich hatte sie in diese Position gebracht.
    Ich war für eine ältere Frau möglicherweise wirklich nicht selbstsicher genug.
    Ich habe ein sechzehnjähriges Mädchen missbraucht.
    Und dennoch hatte ich während der ganzen Woche, in der ich auf ihren leeren Stuhl starrte, unaufhörlich aufs Telefon lauschte, nach ihren Schritten auf der Treppe hörte und natürlich masturbierte, immer das Gefühl, dass nur Annie die Welt für mich wieder in Ordnung bringen könnte.
    Am Montag kam sie wieder in die Schule. Ihr Gesicht war sehr blass, die Augen trübe, sie blickte abwesend und teilnahmslos vor sich hin. Mich sah sie nicht ein einziges Mal an.
    Ich

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