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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Evolution sein muß. Wenn ein Vogeljunges aus dem Nest fällt und von einer des Weges kommenden Katze gefressen wird, ist man leicht geneigt zu glauben, der Kampf ums Überleben werde zwischen Vogel und Katze geführt. Doch wenn das der Wettbewerb ist, dann sind die Katzen eindeutig die Gewinner – warum also haben sich überhaupt Vögel entwickelt? Warum gibt es nicht nur Katzen?
    Weil Katzen und Vögel vor langer Zeit, ohne es zu wissen, zu einer gegenseitigen Anpassung gekommen sind, bei der beide überleben können. Wenn sich Vögel ungehindert vermehren könnten, gäbe es bald viel zu viele Vögel, als daß ihre Nahrungsquellen ausreichen würden. Ein Starenweibchen zum Beispiel legt in seinem Leben etwa 16 Eier. Wenn aus allen diesen Eiern junge Stare schlüpfen würden und das so weiterginge, würde sich die Starpopulation in jeder Generation verachtfachen – sechzehn Junge auf jeweils zwei Eltern. Solches ›exponentielles‹ Wachstum verläuft erstaunlich schnell: In der siebzigsten Generation wäre eine Kugel von der Größe des Sonnensystems vollständig von Staren ausgefüllt (statt von Tauben, was die natürliche Bestimmung des Sonnensystems zu sein scheint).
    Bei der einzigen ›Wachstumsrate‹ für eine Population, die funktioniert, bringt ein Brutpaar erwachsener Stare im Durchschnitt genau ein Brutpaar erwachsener Stare hervor. Ersatz, aber nicht mehr – und auch nicht weniger. Sobald es mehr wird, explodiert die Population; ist es weniger, stirbt sie früher oder später aus. Also dürfen von diesen 16 Eiern 14 nicht das Fortpflanzungsalter erreichen. Und da kommt die Katze ins Spiel, zusammen mit allem anderen, was einem Vogel das Leben schwer macht, insbesondere einem jungen. In gewisser Hinsicht tun die Katzen den Vögeln einen Gefallen – kollektiv, wenn auch nicht unbedingt individuell (das hängt davon ab, ob man zu den beiden gehört, die das Fortpflanzungsalter erreichen, oder zu den vierzehn anderen).
    Wesentlich leichter zu sehen ist die Tatsache, daß die Vögel den Katzen einen Gefallen tun – Katzenfutter fällt buchstäblich wie Manna vom Himmel. Die Gefahr des Versiegens dieser Nahrungsquelle ist dadurch gebannt, daß, falls sich irgendwo eine Gruppe besonders gefräßiger Katzen entwickeln sollte, sie sich bald die eigenen Nahrungsgrundlagen wegfräße und ausstürbe. Die zurückhaltenderen Katzen in der Nachbarschaft dagegen überleben und rücken rasch in das leere Gebiet nach. Also gewinnen die Katzen, die gerade genug Vögel fressen, um ihren Nahrungsbedarf zu decken, den Wettbewerb mit den gefräßigen Katzen. Katzen und Vögel stehen miteinander nicht im Wettbewerb, weil sie nicht dasselbe Spiel spielen. Der eigentliche Wettbewerb findet zwischen Katzen und anderen Katzen statt und zwischen Vögeln und anderen Vögeln. Man könnte dies für einen unnötig verschwenderischen Vorgang halten, doch das ist es nicht. Ein Starenweibchen kann mühelos seine 16 Eier legen. Das Leben ist reproduktiv – es stellt hinreichend ähnliche, wenn auch nicht exakte Kopien von sich selbst her, und zwar in großer Menge und ›billig‹. Die Evolution kann leicht viele verschiedene Möglichkeiten ›ausprobieren‹ und diejenigen verwerfen, die nicht funktionieren. Und das ist eine erstaunlich wirksame Methode, auf das zu kommen, was tatsächlich funktioniert.
    Wie Huxley sagte, ist die Idee so offensichtlich. Sie rief soviel Ärger seitens der Religionsverfechter hervor, weil sie einem ihrer Lieblingsargumente die Spitze abbricht, dem Argument von der Konstruktion. Lebewesen scheinen so perfekt zusammengesetzt zu sein, daß sie konstruiert sein müssen – und dann muß es einen Konstrukteur gegeben haben. Der Darwinismus machte deutlich, daß ein Prozeß von zufälliger, zielloser Variation, der von selbsttätiger Auslese reguliert wird, ebenso beeindruckende Ergebnisse hervorbringen kann, daß also der Anschein von Konstruktion ganz ohne Konstrukteur entstehen kann.
    Viele Einzelheiten am Darwinismus sind noch nicht verständlich, wie es in der Wissenschaft immer der Fall ist, doch den meisten naheliegenden Versuchen, ihn zu erledigen, ist wirksam entgegengetreten worden. Das klassische Beispiel – noch immer von Kreationisten und anderen wiedergekäut, obwohl schon Darwin eine gute Entgegnung darauf hatte – ist die Evolution des Auges. Das menschliche Auge ist ein komplexes Gebilde, und alle seine Bestandteile müssen mit größter Genauigkeit aufeinander abgestimmt sein, damit es

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