Die Gelehrten der Scheibenwelt
einer der Hauptgründe, weshalb es uns heute gibt, darin zu suchen, daß es uns um ein Haar nicht gegeben hätte. Die ganze Geschichte unserer Evolution ist voll von solchen Szenarien um ›gute Neuigkeiten – schlechte Neuigkeiten‹, während das Leben freudig über die Körper der Gefallenen vorwärtsstürmt …
Rincewinds Eindruck, daß es die Rundwelt auf ihn abgesehen hat, ist verzeihlich. Das Leben hat unter vielen verschiedenen Arten von Naturkatastrophen gelitten. Hier noch zwei davon: Im Perm-Trias-Massensterben von vor 250 Millionen Jahren verschwanden binnen ein paar hunderttausend Jahren 96% aller Arten.* [ * Nach unserem Wissensstand, der sich auf Schlußfolgerungen aus den verfügbaren Indizien gründet. Jedenfalls war es ein großes Aussterben – viel größer als dasjenige, welches die Dinosaurier umbrachte (oder dazu beitrug). Ans Aussterben der Dinosaurier erinnern wir uns, weil sie so gute Reklame hatten. ] William Hobster und Mordeckai Magaritz glauben, dies sei geschehen, weil sie erstickten. Kohlenstoffisotope zeigen, daß in den Anfangsphasen des Aussterbens große Mengen an Kohle und Schiefer oxidierten, möglicherweise infolge eines Absinkens des Meeresspiegels, so daß mehr Land freilag. Das Ergebnis war viel mehr Kohlendioxid und viel weniger Sauerstoff, der auf die Hälfte seines heutigen Anteils zurückging. Land lebende Arten waren besonders schwer betroffen.
Ein anderes weltweites Aussterben, wenn auch weniger schwerwiegend, ereignete sich vor 55 Millionen Jahren: die Paläozän-Eozän-Grenze. In Sediment-Bohrkernen aus der Antarktis haben James Kenneth und Lowell Scott Indizien für den plötzlichen Tod einer Vielzahl von im Meer lebenden Arten gefunden. Billionen Tonnen von Methan scheinen aus dem Ozean entwichen zu sein, die die Temperatur steil emporschießen ließen, da Methan ein starkes Treibhausgas ist. Jenny Dickens hat die Ansicht vertreten, daß das Methan aus Ablagerungen von Methanhydraten im Dauerfrostboden und am Meeresgrund freigesetzt wurde. Methanhydrate sind ein Kristallgitter von Wasser, in dem Methangas eingeschlossen ist; sie entstehen, wenn Bakterien im Schlamm das Gas freisetzen und es vom Wasser eingefangen wird.
Wiederum war eins der Hauptergebnisse des Paläozen-Eozän-Massensterbens eine Explosion der evolutionären Vielfalt, die insbesondere zu den höheren Primaten führte – und zu uns. Ob ein Ereignis eine Katastrophe ist, hängt vom Blickwinkel ab. Felsen haben vielleicht keinen Blickwinkel, wie Ponder Stibbons bemerkte, wir aber durchaus.
NEUNUNDZWANZIG
Da watet was
»Ich glaube, es sieht eher wie ein Silvesterornament aus«, sagte der Oberste Hirte später, als sich die Zauberer einen Aperitif genehmigten und durchs Omniskop eine glitzernde weiße Welt betrachteten. »Eigentlich recht hübsch.«
»Und hin sind die Kleckse«, sagte Ponder Stibbons.
»Phut«, kommentierte der Dekan fröhlich. »Noch etwas Sherry, Erzkanzler?«
»Vielleicht eine Instabilität bei der Sonne …«, überlegte Ponder.
»Von ungelernter Arbeit konstruiert«, sagte Ridcully. »So etwas mußte früher oder später passieren. Und dann gibt’s nur noch kalten Tod, das Kaffeetrinken der Götter und ewiges Eis.«
»Schniefheim«, sagte der Dekan, der den Sherry als erster probiert hatte.
»HEX weist darauf hin, daß sich die Atmosphäre des Planeten verändert hat«, meinte Ponder.
»Solche Hinweise nützen uns jetzt nichts mehr, oder?« fragte der Oberste Hirte.
»Ah, ich habe eine Idee!« verkündete der Dekan und strahlte. »Wir könnten HEX beauftragen, den thaumischen Fluß in der chthonischen Matrix des optimierten bidirektionalen Oktagonats umzukehren, nicht wahr?«
»Nun, das ist die Meinung von vier Gläsern Sherry«, sagte der Erzkanzler voller Nachdruck und beendete damit die Stille, die den Worten des Dekans zunächst gefolgt war. »Wenn ich eine Bitte äußern darf: Beim nächsten Mal würde ich einen Vorschlag begrüßen, der nicht vollkommener Unsinn ist, herzlichen Dank. Nun, Stibbons, ist dies das Ende der Welt?«
»Und wenn es das Ende der Welt ist«, fügte der Oberste Hirte hinzu, »müssen wir dann mit dem Erscheinen vieler Helden rechnen?«
»Wovon redest du da, Mann?« fragte Ridcully.
»Nun, der Dekan glaubt offenbar, daß wir in diesem Fall wie Götter sind, und in den meisten großen Mythologien heißt es, daß Helden nach ihrem Tod im Speisesaal der Götter eintreffen, um dort ein großes Festmahl zu genießen«, erklärte der
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