Die Gelehrten der Scheibenwelt
Woodstock)
»Eisen ist Eisen.« Aber ist das wirklich so? Oder besteht Eisen aus anderen Dingen?
Nach Empedokles, einem alten Griechen, war alles im Universum eine Kombination von vier Bestandteilen: Erde, Luft, Feuer und Wasser. Wenn man einen Stock anzündet, brennt er (also enthält er Feuer), raucht (also enthält er Luft), sondert blasenschlagende Flüssigkeiten ab (also enthält er Wasser) und hinterläßt einen schmutzigen Haufen Asche (also enthält er Erde). Als Theorie war das ein bißchen zu einfältig, um sich lange zu halten – höchstens ein paar tausend Jahre. Die Dinge liefen damals langsamer, und Europa jedenfalls kümmerte sich mehr darum, daß die Bauern sich nicht über ihren Stand erhoben und daß Stückchen aus der Bibel per Hand so mühsam und farbenprächtig wie nur möglich abgeschrieben wurden.
Die wichtigste technische Erfindung, die das Mittelalter hervorbrachte, war das Kummet für Pferde.
Gegenüber ihren Vorgängern war die Theorie des Empedokles ein sichtlicher Fortschritt. Thales, Heraklit und Anaximenes waren übereinstimmend der Ansicht gewesen, alles bestehe aus nur einem Grundprinzip oder ›Element‹ – doch sie waren völlig unterschiedlicher Meinung, was das sei. Thales glaubte, es sei Wasser, Heraklit zog Feuer vor, und Anaximenes war bereit, alles auf Luft zu setzen. Empedokles war ein Wischiwaschi-Synthetiker, der meinte, jeder habe auf seine Weise recht; wenn er heute leben würde, trüge er garantiert die falsche Krawatte.
Die einzige gute Idee, die bei alledem herauskam, besagte, daß die ›elementaren‹ Bestandteile der Materie dadurch gekennzeichnet sein sollten, daß sie einfache, verläßliche Eigenschaften haben. Erde war schmutzig, Luft war unsichtbar, Feuer brannte, und Wasser war naß.
Abgesehen von dem Kummet fungierte das Mittelalter als Nährboden für das, was später einmal die Chemie werden sollte. Jahrhundertelang hatte die noch im Werden begriffene Wissenschaft, die als Alchimie bekannt ist, floriert; die Menschen hatten entdeckt, daß einige seltsame Dinge geschehen, wenn man Substanzen zusammenmischt und erhitzt oder Säure darübergießt oder sie in Wasser auflöst und wartet. Es konnte knallen, man konnte komische Gerüche erhalten, Blasen und Flüssigkeiten, die die Farbe änderten. Woraus immer das Universum bestehen mochte, man konnte offensichtlich manches davon in etwas anderes umwandeln, wenn man den richtigen Trick kannte. Vielleicht sollte man lieber ›Zauberspruch‹ sagen, denn die Alchimie war der Magie verwandt – eine Menge spezieller Rezepte und Rituale, von denen viele tatsächlich funktionierten, aber keine Theorie, wie das alles zusammengehörte. Die großen Ziele der Alchimie waren Sprüche – Rezepte – für Dinge wie das Lebenselixier, das einem ewiges Leben verschaffen würde, und Wie man Blei in Gold verwandelt, was einem haufenweise Geld verschaffen würde, um seinen unsterblichen Lebensstil zu bezahlen. Gegen Ende des Mittelalters hatten sich die Alchimisten damit so lange zu schaffen gemacht, daß sie ziemlich gut darin geworden waren, und sie bemerkten Dinge, die nicht in die Vier-Elemente-Theorie der Griechen paßten. Also führten sie zusätzliche Elemente wie Salz und Schwefel ein, da auch diese Substanzen einfache, verläßliche Eigenschaften hatten, die sich von schmutzig, unsichtbar, brennend oder naß unterschieden. Schwefel zum Beispiel war brennbar (aber nicht eigentlich heiß, versteht sich) und Salz nicht brennbar.
1661 hatte Robert Boyle zwei wesentliche Unterschiede herausgearbeitet und sie in seinem Buch The Sceptical Chymist festgehalten. Der erste Unterschied war der zwischen einer chemischen Verbindung und einem Gemisch. Ein Gemisch besteht einfach aus verschiedenen Dingen, nur eben vermischt. Eine Verbindung ist durchweg ein und derselbe Stoff, aber was immer dieser Stoff ist, man kann ihn dazu bringen, sich in Bestandteile zu trennen, die andere Arten von Stoff sind – vorausgesetzt, man erhitzt ihn, gießt Säure darüber oder findet eine andere wirksame Behandlung. Man kann sie aber nicht durchsuchen und ein andersartiges Stückchen finden; bei einem Gemisch kann man das, obwohl man dazu unter Umständen sehr scharfe Augen und winzige Finger benötigt. Der zweite Unterschied war der zwischen Verbindungen und Elementen. Ein Element ist wirklich eine einzige Art Stoff: Man kann es nicht in verschiedene Bestandteile zerlegen.
Schwefel ist ein Element. Salz ist, wie wir jetzt wissen, eine
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