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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Gesetze der Hydrodynamik sagen uns, daß der Schlamm so auseinanderspritzen muß …«
    Wir wissen, daß diese Regeln auf der Menschenebene näherungsweise Beschreibungen sind, weil wir sie erfunden haben. Schlamm ist klumpig, aber die Regeln der Hydrodynamik berücksichtigen keine Klumpen. Reibung ist eine ziemlich komplizierte Sache, bei der Moleküle aneinanderhaften und sich wieder trennen, doch wir können einen Großteil davon erfassen, indem wir sie als eine Kraft betrachten, die der Bewegung von Körpern entgegenwirkt, wenn diese Körper Oberflächen berühren. Da unsere Theorien auf der Menschenebene Näherungen sind, sind wir sehr aufgeregt, wenn ein allgemeineres Prinzip zu genaueren Ergebnissen führt. Wenn wir uns nicht vorsehen, verwechseln wir dann »die neue Theorie liefert Ergebnisse, die der Wirklichkeit näher kommen als die Ergebnisse der alten« mit »die Regeln der neuen Theorie kommen den wirklichen Regeln des Universums näher als die der alten Theorie«. Doch das folgt nicht daraus: Wir können eine genauere Beschreibung erhalten, auch wenn unsere Regeln davon abweichen, was immer das Universum ›wirklich‹ tut. Was es wirklich tut, hat vielleicht überhaupt nichts mit hübschen, ordentlichen Regeln zu tun.
    Es klafft eine große Lücke zwischen der Niederschrift einer Theorie vom Allem und dem Verständnis ihrer Konsequenzen. Es gibt mathematische Systeme, die das demonstrieren, und eins der einfachsten ist Langtons Ameise, jetzt der kleine Star eines Computerprogramms. Die Ameise wandert auf einem unendlichen Raster von Quadraten umher. Jedesmal wenn sie auf ein Feld kommt, ändert das Feld seine Farbe von Schwarz zu Weiß oder von Weiß zu Schwarz, und wenn sie auf ein weißes Feld kommt, dann wendet sie sich nach rechts, und kommt sie auf ein schwarzes Feld, nach links. Wir kennen also die Theorie von Allem für das Universum der Ameise – die Regel, die ihr Verhalten vollständig beschreibt, indem sie festlegt, was im Einzelnen geschieht –, und alles, was in diesem Universum geschehen kann, wird von der Regel ›erklärt‹.
    Was man tatsächlich sieht, wenn man die Ameise in Gang setzt, sind drei verschiedene Arten von Verhalten. Jeder – Mathematiker oder nicht – erkennt sie sofort. Etwas in unserem Verstand macht uns für den Unterschied empfänglich, und es hat nichts mit der Regel zu tun. Es ist immer dieselbe Regel, doch wir sehen drei unterschiedliche Phasen:
    • EINFACHHEIT: In den ersten zwei-, dreihundert Zügen der Ameise, die auf einem völlig weißen Raster beginnt, bildet sie winzige Muster, die sehr einfach und oft sehr symmetrisch sind. Und man sitzt und denkt: Natürlich, wir haben eine einfache Regel, also kriegen wir einfache Muster , und man müßte alles, was geschieht, auf einfache Weise beschreiben können.
    • CHAOS: Dann bemerkt man plötzlich, daß es nicht mehr so ist. Man hat einen unregelmäßigen großen Flickenteppich von schwarzen und weißen Feldern, die Ameise läuft praktisch rein zufällig herum, und man sieht überhaupt keine Struktur. Für Langtons Ameise hält diese Art von pseudozufälliger Bewegung ungefähr 10 000 Schritte lang an. Wenn der Computer also nicht sehr schnell ist, kann man sehr lange dasitzen und sagen: »Jetzt passiert nichts Interessantes mehr, so geht das endlos weiter, purer Zufall.« Nein, es folgt derselben Regel wie zuvor. Nur uns erscheint es wie Zufall.
    • HERVORTRETENDE ORDNUNG: Schließlich fängt sich die Ameise in einer Art sich wiederholendem Verhalten und baut eine ›Straße‹. Sie durchläuft einen Zyklus von 104 Schritten, nach dem sie sich zwei Felder diagonal weiterbewegt hat und die Form mitsamt den Farben am Rand dieselbe sind wie zu Beginn dieses Zyklus. Dieser Zyklus wiederholt sich also endlos, und die Ameise baut eine diagonale Straße – immer und immer wieder.
    Diese drei Arten von Verhalten sind alle Folgen derselben Regel, doch sie befinden sich auf anderen Ebenen als die Regel selbst. Es gibt keine Regeln, die etwas über Straßen sagen. Die Straße ist zweifellos eine einfache Sache, aber ein Zyklus mit 104 Schritten ist keine besonders offensichtliche Folge der Regel. Im Grunde können Mathematiker nur auf eine einzige Art beweisen, daß die Ameise wirklich ihre Straße baut: indem sie jene 10 000 Schritte allesamt durchgehen. Dann kann man sagen: »Jetzt verstehen wir, warum Langtons Ameise eine Straße baut.« Vorher aber nicht.
    Wenn wir die Frage aber etwas allgemeiner

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