Die Gelehrten der Scheibenwelt
sich etwas ganz Ähnliches ereignet haben, während sich jene Gürtel zu Planeten zusammenzogen, wodurch auch die Bewegung der Monde gut erklärt wäre. Es ist nicht schwer, die besten Züge der Theorien von Kant und Laplace zu vereinigen, und die Kombination stellte die Wissenschaftler etwa ein Jahrhundert lang zufrieden. Allmählich wurde jedoch klar, daß unser Sonnensystem viel unregelmäßiger ist, als es sowohl Kant als auch Laplace angenommen hatten. Planetoiden haben ausgefallene Umlaufbahnen, und manche Monde laufen falsch herum. Die Sonne enthält 99% der Masse des Sonnensystems, aber auf die Planeten entfallen 99% des Drehimpulses: Entweder rotiert die Sonne zu langsam, oder die Planeten laufen zu schnell um.
Als das zwanzigste Jahrhundert anbrach, wurden diese Mängel der Laplaceschen Theorie zu gravierend, als daß die Astronomen mit ihnen hätten leben können, und mehrere Leute kamen unabhängig voneinander auf die Idee, daß ein Stern ein Planetensystem entwickle, wenn er einem anderen Stern nahe komme. Während die beiden Sterne aneinander vorbeisausen, sollte die Anziehungskraft des einen Sterns einen langen zigarrenförmigen Materieklumpen aus dem anderen herausziehen, der sich dann zu Planeten zusammenballte. Der Vorteil der Zigarrenform bestand darin, daß sie an den Enden dünn und in der Mitte dick ist, wie die Planeten in Sonnennähe oder draußen beim Pluto klein, dazwischen bei Jupiter und Saturn aber groß sind. Wohlgemerkt, es ist nie ganz klar geworden, warum der Klumpen zigarrenförmig sein sollte …
Wichtig an dieser Theorie war auch die daraus zu ziehende Schlußfolgerung, daß Planetensysteme ziemlich ungewöhnlich sind, weil die Sterne ziemlich dünn gesät sind und einander selten nahe genug kommen, um sich gemeinsam eine Zigarre zu gönnen. Wenn man zu jenen Leuten gehört, denen der Gedanke behagt, daß Menschen im Weltall einzigartig sind, dann war das eine ziemlich anziehende Theorie: Wenn Planeten selten waren, mußten bewohnte Planeten noch seltener sein. Wenn man dagegen zu jenen Menschen gehörte, die lieber glaubten, die Erde sei nicht besonders ungewöhnlich und ihre Lebensformen auch nicht, dann war einem bei der Zigarrentheorie nicht wohl.
Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hatte sich die Zigarrentheorie als noch unwahrscheinlicher denn die Kant-Laplacesche Theorie erwiesen. Wenn man eine Menge heißes Gas von der Oberfläche eines Sterns abreißt, kondensiert es nicht zu Planeten – es verstreut sich in die unermeßlichen Tiefen des interstellaren Raumes wie ein Tropfen Tinte in einem tosenden Ozean. Inzwischen hatten die Astronomen schon eine viel deutlichere Vorstellung, wie Sterne entstehen, und es wurde klar, daß Planeten in demselben Prozeß entstehen müssen, der die Sterne hervorbringt. Ein Planetensystem ist kein Stern, der sich später ein paar winzige Begleiter zulegt: Es kommt von Anfang an als Paket. Das Paket ist eine Scheibe – in unserem Universum (soviel wir wissen) das, was einer Scheibenwelt am nächsten kommt. Doch die Scheibe beginnt als Wolke und wird schließlich zu einer Menge Kugeln (Stibbons’ Dritte Regel).
Ehe sich die Scheibe bildete, begann das Sonnensystem mitsamt der Sonne als zufällige Portion einer Wolke von interstellarem Gas und Staub. Zufällige Verschiebungen lösten einen Kollaps der Staubwolke aus, wobei alles ungefähr – aber nicht exakt – auf denselben Mittelpunkt zu stürzte. Um solch einen Kollaps in Gang zu setzen, braucht es weiter nichts als eine Materiekonzentration irgendwo, deren Gravitation dann weitere Materie heranzieht: Zufällige Verschiebungen erzeugen so eine Konzentration, wenn man lange genug wartet. Wenn der Prozeß erst einmal begonnen hat, verläuft er erstaunlich schnell und braucht ungefähr zehn Millionen Jahre vom Anfang bis zum Ende. Zunächst ist die in sich zusammenstürzende Wolke annähernd kugelförmig. Sie wird aber in der Rotation der gesamten Galaxis mitgeführt, so daß sich der äußere Rand (in bezug aufs Zentrum der Galaxis) langsamer bewegt als der innere. Der Erhaltungssatz für den Drehimpuls sagt uns, daß die Wolke beim Kollabieren zu rotieren beginnen muß, und je weiter sie in sich zusammenstürzt, um so schneller rotiert sie. In dem Maß, wie sich ihre Umdrehungsgeschwindigkeit erhöht, flacht sich die Wolke annähernd zu einer Scheibe ab.
Sorgfältigere Berechnungen zeigen, daß sich diese Scheibe nahe der Mitte zu einem Klumpen verdickt und daß die meiste Materie in
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