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Die Geliebte des Gelatiere

Die Geliebte des Gelatiere

Titel: Die Geliebte des Gelatiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Zahno
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durften. Es handle sich, wie der Maître de Service mit gedämpfter Stimme verriet, um eine Venere di Venezia, eine Venus von Venedig, dem berühmten Gemälde Tiepolos nachgebildet. Aber schließlich siegte der Genuss über das Erstaunen, und nachdem ich die zweiunddreißig Kerzchen unter Applaus in einem Zug ausgeblasen hatte, erhielt ich das erste Stück der Venus, ihre linke Brust, ich wusste nicht, warum der Kellner nicht mit dem Kopf anfing, wie es logisch gewesen wäre, aber ich erhielt ihre Brust, in der, wie ich bald merkte, ein Herz aus Mandarineneis steckte, ich ließ mir diese Brust auf der Zunge zergehen und konnte mir nichts Besseres vorstellen. Dieses Vanilleeis mit seinem Mandarinenherz hatte einen Geschmack, ein Bouquet, das mich hinriss. Und wieder gab es zweiunddreißig »Aaahs« und »Ooohs«, als die Venus zerschnitten war und alle ihr Stück hatten und zum ersten Mal daran leckten, so fein war dieses Eis, so zart, so himmlisch. Die meisten aßen ganz langsam, andächtig beinahe, jedes Löffelchen wurde mit Bedacht zum Mund geführt, an allen Tischen war die Furcht spürbar, der Genuss könnte zu schnell vorbei sein. Als die Torte endlich verzehrt war, lag Melancholie im Raum. Die einen rauchten, andere gingen nach draußen, um sich den Kopf durchlüften zu lassen.
    Benommen vom Wein und der Venus schwankte ich zur Toilette des Hotels, das ich seiner hässlichen Architektur wegen immer gehasst hatte. Warum Michele das Fest ausgerechnet in diesem scheußlichen Betonklotz ausrichtete, hatte ich nicht verstanden, es hätte billigere und schönere Orte gegeben, aber Michele hatte darauf bestanden, und nach dem lukullischen Essen wusste ich, warum. Ich setzte mich auf die Brille, erledigte mein Geschäft und wollte nach dem Papier greifen, als ich merkte, dass nur noch der leere Karton im Halter steckte. Ich drehte mich um und suchte nach der Ersatzrolle, schaute auf dem Spülkasten, darunter, in den Ecken, auf dem Fenstersims und neben dem Heizkörper, aber da war nichts. Ich fluchte und schüttelte den Kopf. Ich saß auf der Toilettenbrille in einem der exklusivsten Hotels der Welt – ohne Rolle. Von draußen drang das Schlabbern des Wassers herein und der Gesang eines Tenors, der auf einer Gondel sang, so temperamentvoll, dass ich die Situation für einen Moment vergaß. Manche dieser Sänger auf den Gondeln waren peinlich, andere Künstler. Dieser hier gehörte zu Letzteren – wie er La donna è mobile in die Luft schmetterte, war grandios.
    Während der Part aus Rigoletto erklang, wurde die goldene Türklinke gedrückt, immer und immer wieder, offenbar musste jemand dringend aufs stille Örtchen. Ich ärgerte mich über den Klinkendrücker, er sah doch, dass besetzt war, warum suchte er sich nicht eine andere Toilette, es gab genug in diesem riesigen Hotel, nur ein Idiot konnte die Klinke eines besetzten Klos immer wieder runterdrücken und denjenigen, der hinter der Tür sein Geschäft verrichtete, derart unter Druck setzen. Ich ärgerte mich aber auch über mich selbst, denn ich hatte in den Hosentaschen gekramt und festgestellt, dass ich kein Papiertaschentuch dabei hatte wie sonst immer, bei dieser Geburtstagshose hatte ich nicht daran gedacht, sie mit Taschentüchern auszustatten, und nun stand ich da, mit heruntergelassener Hose, während der Klinkendrücker draußen, der für einen Moment abgelassen hatte, nun wieder wie ein Idiot auf die Klinke drückte, ein Wunder, dass er nicht gegen die Tür klopfte oder polterte, dass er sich nicht wie ein Carabiniere mit aller Kraft dagegen stemmte und einbrach, während durch das Fenster noch immer der herzzerreißende Gesang des Tenors drang. Aber ich konnte in diesem Zustand nicht einfach die Hose hochziehen und hinausgehen, um vielleicht auf der Damentoilette eine Rolle zu finden. Ich wartete, bis der Klinkendrücker einhielt, öffnete dann mein Hemd, streifte es ab, hing es an den Türhaken, zog mein hellblaues Unterleibchen aus, machte es nass und versuchte mich so zu säubern. Es war ekelhaft, wie hätte es anders sein können, sich mit dem eigenen Leibchen abzuwischen, war ekelhaft. Aber es gelang mir nicht schlecht, mich zu reinigen, und als ich fertig war, warf ich das Leibchen durch das Fenster in den Kanal. Einigermaßen sauber, dachte ich und beschloss, noch ein wenig zu warten, bis ich trocken war und die Geburtstagshose wieder hochziehen konnte, als es schon wieder losging mit der Türklinke und ich ein Fluchen hörte, während ich

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