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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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Dauer nichts für eine so junge Frau, wie Ihr es seid.“
    Der alte Mann hatte Recht und ich schluckte;
gerade hatte er mir unmissverständlich klar gemacht, dass er keine Gegenleistungen
für seine Hilfe erwartete und auch akzeptieren würde, wenn ich gehen wollte.
Fast kam es mir vor, als wünschte er das auch – um meinetwillen.
    „Ich kann nicht zurück gehen“, erwiderte ich.
    „Dann bleibt Euch nur der Weg nach vorne.“
    „Und wohin führt er mich?“
    „Soweit Euch Eure Füße tragen“, sagte der alte
Mann geheimnisvoll.
     
    Zum nächsten Marktbesuch wollte Itosu mich mitnehmen,
doch ich lehnte ab. „Das führt mich zu nahe an mein altes Leben. Dorthin kann
ich nicht zurückkehren. Ich bin schon zu lange fort.“
    Itosu sah mich schweigend an. Offensichtlich
überlegte er, was er davon halten sollte. „Soll ich jemandem etwas
ausrichten?“, fragte er vorsichtig.
    Schon seit längerem fragte ich mich, was Itosu
wohl über meine Herkunft dachte und ob er eine Ahnung hatte, wer ich war. Über
sein Angebot dachte ich nach und schüttelte schließlich den Kopf. „Nein,
niemandem. Bringt mir einfach Neuigkeiten. Ich bin gespannt, was sich alles
getan hat in der Zeit, die ich bei Euch verbracht habe.“
     
    Die Tage ohne Itosu verbrachte ich im Webgurt. Mittlerweile
konnte ich im Schneidersitz arbeiten und war darüber sehr glücklich. Ab und an
betrachtete ich meine Füße näher und bemerkte, dass sich eine leichte Hornhaut
an den Sohlen gebildet hatte. Die Fußmuskeln waren nun kräftig genug, um die
verlorenen Zehen auszugleichen und ich hatte nicht mehr so oft Krämpfe in den
Waden wie noch am Anfang.
    Der Stoff, den ich nun webte, war grober und ich
hatte mir vorgenommen, daraus ein Gewand für mich selbst zu nähen. Mein
jetziges war eines von Itosu und ich wollte etwas Eigenes besitzen.
     
    Itosu brachte viele Neuigkeiten vom Markt. „Wir haben
Krieg.“
    „Krieg?“ Erschrocken sah ich auf.
    „Ja, mit Xia. Man mag es kaum glauben, so ruhig
wie es hier bei uns ist – aber an der Grenze kämpfen sie. Es sieht so aus, als
hätte Shenzong bald seine Einigung.“
    Sofort dachte ich an Bao und ein Stich ging mir
durchs Herz.
    Doch Itsou hatte noch mehr Neuigkeiten: „Am Hofe
lebt nun ein Thronfolger.“
    Dieser Satz fiel eher nebenbei, doch mir dröhnte
er im Schädel. „Ein Thronfolger?“
    „Ja, die Ehrwürdige Hauptfrau ist zurückgekehrt
und es wurde offenbar, dass sie während ihrer Abwesenheit vom Palast einen Sohn
geboren hat.“
    „Einen Sohn? Wann?“
    „Er muss kurz vor der Jahreswende zur Welt gekommen
sein. Ein süßer kleiner Junge, sagt man. Gesehen hat ihn noch niemand, aber
Shenzong ist wohl sehr erfreut. Er hat jahrelang auf einen Nachfolger gewartet.
Erstaunlich, dass die Ehrwürdige Hauptfrau nach so langer Zeit nun doch ein
Kind bekommen hat.“
    Übelkeit stieg in mir hoch. In mir wuchs ein
Verdacht, der so ungeheuerlich für mich war, dass ich es kaum wagte, ihn auch
nur in meinen Gedanken zu formulieren. „Wie heißt er?“, fragte ich zitternd,
fast flüsternd.
    Itosu kräuselte die Nase und dachte nach. „Zhao Zhezong…“
Er überlegte. „…Shao-Sheng.“
    Ohnmächtig fiel ich zu Boden.
     
    Ein herber Duft kroch mir in die Nase und vertrieb
das Hämmern in meinem Kopf. Entfernt hörte ich Itosus Stimme, die immer klarer
wurde, bis ich ihn verstand.
    „Kommt zu Euch!“, sagte er. „Es ist doch alles
gut.“
    Ich spürte seine Hände auf meiner Stirn und
presste die Augen zu, bevor ich mich zwang, sie zu öffnen. Direkt vor mir waren
Itosus Augen, die mich liebevoll ansahen.
    „Wenn ich gewusst hätte, dass Euch diese Nachricht
so bewegt, hätte ich sie wohl besser für mich behalten.“
    Abrupt setzte ich mich auf und hielt mir den Kopf.
    „Ist schon gut, Meister. Ich glaube, ich bin
einfach ein wenig erschöpft gewesen.“
    „Wenn Ihr meint…“ Itosu erhob sich und ließ mich alleine.
    Ernüchtert ließ ich mich wieder zurückfallen und
starrte an die Decke.
    Shenzong hatte einen Sohn. Ich war felsenfest
davon überzeugt, dass es mein Sohn war; mein Shao. Wenngleich ich
mir auch nicht erklären konnte, wie Cheng-Si das geschafft haben sollte. Einzig
der Gedanke, dass Shao offenbar in Sicherheit war, gab mir Ruhe. Doch meinen
Ärger auf Cheng-Si konnte ich nicht verdrängen. Die ganze Nacht grübelte ich.
Zurück an den Hof konnte ich nicht, wie hätte ich meine lange Abwesenheit
erklären sollen? Niemand hatte nach mir gesucht. Was hatte Cheng-Si den

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