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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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kleiner
Schilfwald angelegt worden. Ebenso verlief hier die Wasserzufuhr für die Frauengemächer.
Das Plätschern verschluckte alle verräterischen Geräusche, die sein Ankommen
erzeugte. Bao musste innerlich lächeln. Es zahlte sich aus, den Baumeister
persönlich zu kennen.
    Der Wind spielte stetig mit dem hohen Gras; abgesehen
davon lag ihm das „sich-wie-ein-Schatten-zu-bewegen“ mittlerweile so ihm Blut,
dass es nicht auffiel, als er hindurch ging, um zum verborgenen Eingang zu gelangen.
    Eine Luke am Boden, bedeckt durch Moos und Steine,
war der Zugang. Bao glitt leise in den unterirdischen Korridor. Von hier aus
gelangte er nach etwa zwanzig Schritten in die kleine Kammer unterhalb des
Waschraumes seiner Geliebten. Der Thujenzweig war nicht da und Bao
kontrollierte die Öffnung nach oben. Sie war entriegelt und er konnte den Boden
zur Seite schieben. Ein leises Scharren war zu hören, als er die Bretter
bewegte, dann stieg er leise die Leiter nach oben und war angekommen.
     
    ***
     
    Es hatte große Überwindung gekostet, nicht direkt
neben der Geheimtür zu liegen. Ich hatte mich schlafen gelegt wie jeden Abend,
war allerdings hellwach und starrte auf die Tür des Waschzimmers. Jedes noch so
kleine Geräusch ließ mich aufhorchen, doch bis jetzt war von ihm nichts zu
hören, geschweige denn zu sehen. Als ich aber schließlich ein Scharren vernahm,
konnte mich nichts und niemand halten: Ich sprang auf, rannte in den Nebenraum
und stand direkt vor ihm.
     
    ***
     
    Da stand sie.
    Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt,
so dass er keine Schwierigkeiten hatte, sie zu erkennen.
    „Meine Liebe!“, war das einzige, was er über die
Lippen brachte, bevor sie sich ihm entgegen warf und ihr Gesicht an seine Brust
presste. Ihr Körper bebte und er hörte sie leise schluchzen. Sie hielten sich
im Arm, das erste Mal nach Jahren. Die vielen Monate der Trennung waren schlagartig
vergessen. Sie war hier und lag in seinen Armen; alles andere interessierte ihn
nicht.
    Min-Tao war noch immer an ihn gepresst, und so
nahm er sie auf und trug sie ins Schlafzimmer. Auf der Schlafstelle ließ er
sich zusammen mit ihr nieder und hielt sie nach wie vor in seinen Armen. Ihr
Haar duftete wunderbar. Sie hatte es frisch gewaschen, wohl ihm zu Ehren. Er
küsste ihren Scheitel, dann ihre Stirn und als sich ihre Lippen trafen,
verloren beide ihre Scheu, ließen sowohl die erste Freude als auch die Trauer
über die lange Trennung hinter sich und fanden sich aufs Neue. Der Mond
erhellte den Raum und tauchte ihr Liebesspiel in silbernes Licht.
    „Jetzt bin ich wieder ganz“, war das erste, was er
sagte, als sie in seiner Armbeuge lag und er mit ihrem Haar spielte. „Ich
wusste bis heute nicht, wie einsam ich war!“
    „Wir waren beide einsam!“, sagte sie. „Das
einzige, was mir blieb, waren meine Träume mit dir.“ Min-Tao fuhr mit ihrer
Hand über seinen Brustkorb und küsste seine Schulter. „Manchmal glaubte ich, du
wärst wirklich da; das hat mich vor der Verzweiflung bewahrt!“
    „Ich war da!“, flüsterte er. „Ich war immer da.
Ebenso, wie du bei mir warst. Es ist einfach unser Schicksal!“ Er rollte sich
über ihren Körper.
    „Ich hoffe, das Schicksal meint es gut mit uns!“
Min-Tao streichelte seine Wangen und schloss die Augen, als er sie erneut
küsste.

20 
  Abzug in den Westen
     
    Qin, Ende des Jahres 1074
     
    Der Winter mit seiner Dunkelheit und Kälte war auf
unserer Seite und Bao verbrachte fast jede vierte Nacht bei mir, ohne dass wir
jemals gestört wurden. Sich bei Tag zu begegnen war unmöglich. Hier war alles
viel kleiner und nicht so weitläufig wie in Dongjing; hinzu kam, dass die
Ehrwürdige Frau mit all ihrem Gefolge nach Qin gekommen war. Nur zu gut
erinnerte ich mich daran, dass es Suan-Jen ein leichtes gewesen war, mich aus
dem Verborgenen beobachten zu lassen und ich konnte nicht mit Sicherheit sagen,
unter wessen Beobachtung ich außerhalb meiner Gemächer stand. Nein, die Gefahr,
entdeckt zu werden, war uns beiden zu groß und so blieb es bei den Nächten.
     
    Mit Beginn des neuen Jahres kam Bewegung in das
Heer. Von Bao wusste ich, dass Shenzong für die ersten Frühlingstage den
Abmarsch des Heeres plante. Bald würde es zu einer Konfrontation mit Xia
kommen. Bao hatte täglich strategische Besprechungen mit Wang Anshi und ich
wusste, er würde mich bald verlassen müssen. Allein der Gedanke daran nahm mir
den Atem.
    „In wenigen Tagen werden wir

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